29.08.2023Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht August 2023

Widerspruch des Betriebsrats nach § 99 BetrVG bei Verstoß gegen Ausschreibungsfrist

Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 13.01.2023, Az. 23 BV 67/22 

Das Arbeitsgericht Köln stellt klar: Auch in Zeiten des Fachkräftemangels muss ein Arbeitgeber sich an die mit dem Betriebsrat vereinbarten Regelungen zur internen Stellenausschreibung – insbesondere die vereinbarten Fristen – halten. Unterlässt er dies, riskiert er nicht nur eine berechtigte Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats, sondern auch einen schlechten Ruf am Bewerbermarkt.

Sachverhalt

Der Arbeitgeber vereinbarte mit dem Gesamtbetriebsrat eine "Betriebsvereinbarung über die Durchführung von internen Stellenausschreibungen“. Diese sah insbesondere vor, dass jeder Arbeitsplatz, der neu besetzt werden solle, intern für vier Wochen ab Eingang der Ausschreibung beim Betriebsrat ausgeschrieben werden müsse. Der Betriebsrat übertrug dem Betriebsausschuss gem. § 28 BetrVG u.a. die Bearbeitung der anfallenden personellen Maßnahmen im Rahmen des § 99 BetrVG.

Der Arbeitgeber schrieb die streitgegenständige Stelle am 18.02.22 bis zum 18.03.22 intern aus und informierte den BR hierüber nach eigenen Angaben am 24.02.22.

Nachdem der Arbeitgeber am 11.04.22 die Zustimmung des Betriebsrates zur Einstellung des einzigen Bewerbers beantragte, widersprach der Betriebsausschuss mit E-Mails vom 14.04.22 und 21.04.22 unter Hinweis auf eine mangelnde Qualifikation des Bewerbers und eine fehlende interne Stellenausschreibung. Unter dem 02.05.22 beantragte der Arbeitgeber erneut die Zustimmung zur Einstellung und begründete die dringende Erforderlichkeit der vorläufigen Einstellung mit mehr als 20 unbesetzten Stellen trotz dringlicher Aufgaben. Der Betriebsrat widersprach am 05.05.22 erneut und wies darauf hin, dass die unbesetzten Stellen nicht ausgeschrieben worden seien.

Der Arbeitgeber beantragte, festzustellen, dass die Zustimmung des Betriebsrates zur Einstellung als erteilt gilt, hilfsweise Zustimmungsersetzung und Feststellung der dringenden Erforderlichkeit der vorläufigen Einstellung.

Inhalt der Entscheidung

Das Arbeitsgericht Köln wies die Anträge des Arbeitgebers zurück.

Die Zustimmung des Betriebsrates zur Einstellung gelte nicht als erteilt, da der Betriebsausschuss für den Betriebsrat die Zustimmung wirksam verweigert habe. Die Äußerung des Betriebsausschusses innerhalb der Wochenfrist des § 99 BetrVG sei dem Betriebsrat zuzurechnen, weil der Betriebsrat dem Betriebsausschuss die Bearbeitung der Anträge nach § 99 BetrVG zur selbstständigen Entscheidung übertragen habe. Es seien keine Hinweise ersichtlich, warum die Übertragung der Entscheidungsbefugnis an den Betriebsausschuss fehlerhaft erfolgt sei.

Auch entspreche die Äußerung des Betriebsausschusses den Anforderungen des § 99 BetrVG an einen wirksamen Widerspruch. Eine E-Mail reiche nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BAG vom 10.03.2009 – 1 ABR 93/07) aus, die Schriftform des § 126b BGB zu wahren. Auch hätten die Inhalte der E-Mail vom 14.04.22 genügt, die Gründe der Zustimmungsverweigerung hinreichend deutlich zu machen. Der Betriebsrat habe hinreichend deutlich gemacht, dass er einen Verstoß gegen die Betriebsvereinbarung erkenne, weil er auf die fehlende interne Stellenausschreibung verwiesen habe.

Die Zustimmung des Betriebsrates sei auch nicht zu ersetzen. Der Arbeitgeber habe eindeutig gegen die Pflichten aus der Betriebsvereinbarung verstoßen, da die interne Ausschreibung weniger als vier Wochen nach Mitteilung der Ausschreibung an den Betriebsrat erfolgt sei. Dass die Stelle insgesamt mehr als vier Wochen intern ausgeschrieben worden sei, reiche nach dem Wortlaut der Betriebsvereinbarung nicht aus.

Schließlich sei auch die vorläufige Einstellung nicht dringend erforderlich gewesen. Der Arbeitgeber habe nicht hinreichend deutlich gemacht, warum die sofortige Einstellung des Mitarbeiters bei objektiver Betrachtung erforderlich sei. Insbesondere habe der Arbeitgeber keinen ausreichend konkreten Bezug zwischen den allgemeinen Aussagen wie dem „Fachkräftemangel“ sowie der „massiven Arbeitsüberlastung bei allen Mitarbeitern“ sowie der streitgegenständigen Einstellung hergestellt. Ein solcher konkreter, nachvollziehbarer Vortrag des Arbeitgebers sei aber erforderlich, damit das Gericht zu seinen Gunsten entscheiden könne.

Praxishinweis

Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Köln zeigt erneut, dass die ordnungsgemäße Beteiligung des Betriebsrates nicht unterschätzt werden darf. Ignoriert ein Arbeitgeber Vereinbarungen mit dem Betriebsrat, kann dieser die Zustimmung zu personellen Einzelmaßnahmen rechtmäßig verweigern.

Auch ein – sicherlich aktuell besonders akuter – Fachkräftemangel hebelt derartige Vereinbarungen nicht aus. Vielmehr sollte die schwierige Bewerbersituation bei den Arbeitgebern Anlass bieten, besondere Vorsicht bei der Einhaltung der Beteiligungsrechte zu wahren. Andernfalls riskieren sie, ohnehin rare Bewerber auf den letzten Metern zu verlieren.

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