01.03.2014Fachbeitrag

Newsletter Arbeitsrecht März 2014

Wirksame Massenentlassungsanzeige erfordert Angabe der Sozialauswahlkriterien

LAG Düsseldorf, Urteil vom 26.9.2013, 5 Sa 530/13

Unterrichtet ein Arbeitgeber im Rahmen des Massenentlassungsanzeigeverfahrens nach § 17 KSchG die Agentur für Arbeit nicht ausreichend über die vorgesehenen Kriterien über die Auswahl der entlassenen Arbeitnehmer, ist die Anzeige nicht ordnungsgemäß mit der Folge der Unwirksamkeit einer darauf basierenden Kündigung.

Der Kläger war als Gesamtlagerleiter bei einer Gesellschaft beschäftigt, über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Dem Insolvenzverwalter gelang es nach langer Suche, einen Erwerber für den insolventen Betrieb zu finden. Dieser erklärte sich jedoch nicht bereit, alle Arbeitnehmer zu übernehmen. Vielmehr sollte nach einem sog. Erwerberkonzept ein erheblicher Teil des Personals der insolventen Gesellschaft entlassen werden.

Zur Umsetzung der betriebsbedingten Kündigungen gemäß dem Erwerberkonzept schloss der Insolvenzverwalter mit dem zuständigen Betriebsrat einen Interessenausgleich mit einer Namensliste, auf der die zu kündigenden Arbeitnehmer aufgeführt waren (vgl. § 125 InsO). Nach dem Interessenausgleich sollte unter anderem die Hierarchieebene des Gesamtlagerleiters und damit der Arbeitsplatz des Klägers entfallen. Der Name des Klägers stand demgemäß auf der Namensliste. Bei der Durchführung der Sozialauswahl hatte der Insolvenzverwalter gem. § 125 Abs. 1 Nr. 2 InsO die soziale Auswahl unter den vergleichbaren Arbeitnehmern im Hinblick auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter und bestehende Unterhaltspflichten vorgenommen. Er hatte dabei überdies Altersgruppen gebildet. Unstreitig waren die insgesamt geplanten Entlassungen nach §§ 17 ff. KSchG anzeigepflichtig. Der Massenentlassungsanzeige des Insolvenzverwalters war zwar der Interessenausgleich einschließlich der Namensliste beigefügt. Die bei der Agentur für Arbeit eingereichten Unterlagen enthielten jedoch keinerlei Information über die zur Erstellung der Namensliste durchgeführte Sozialauswahl und insbesondere auch keinen Hinweis auf die Bildung von Altersgruppen. Der Kläger griff seine Kündigung mit einer Kündigungsschutzklage an und berief sich unter anderem auf Fehler bei der Massenentlassungsanzeige.

Nach Auffassung des LAG Düsseldorf erwies sich die Massenentlassungsanzeige in dem Fall in der Tat als fehlerhaft, weil die Angabe der vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer gemäß § 17 Abs. 3 S. 4 KSchG zu den sog. Muss-Angaben der Anzeige gehöre und nicht zu den für entbehrlich erachteten sog. Soll-Angaben. Dass der Betriebsrat im Rahmen des Konsultationsverfahrens nach § 17 Abs. 2 KSchG umfänglich über die Sozialauswahl informiert worden war, was unstreitig der Fall war, hielt das LAG insoweit für unbeachtlich. Es stehe nicht das Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG, sondern alleine die fehlerhafte Unterrichtung der Agentur für Arbeit nach § 17 Abs. 3 S. 4 KSchG zur Diskussion.

Nachdem das BAG zuletzt in mehreren Entscheidungen seine Auffassung gefestigt hatte, dass eine fehlerhafte Massenentlassungsanzeige zur Rechtsunwirksamkeit einer auf Basis der Anzeige erklärten Arbeitgeberkündigung führt (vgl. zuletzt BAG, Urteil vom 21.3.2013, 2 AZR 60/12, NZA 2013, 966), gab das LAG dem Kläger Recht und stellte die Unwirksamkeit der Kündigung fest.

Im Zusammenhang mit dieser Entscheidung ist an dieser Stelle nochmals zu erwähnen, dass das BAG jüngst auch klargestellt hat, dass die Ordnungsgemäßheit des gesamten Verfahrens der Massenentlassungsanzeige nach § 17 KSchG (Konsultationsverfahren mit dem Betriebsrat und Abgabe der eigentlichen Anzeige) von den Arbeitsgerichten im Kündigungsschutzprozess selbst dann vollständig zu prüfen ist, wenn die Agentur für Arbeit die eingegangene Anzeige nicht beanstandet, sondern als ordnungsgemäß bestätigt.

Fazit

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Sie stützt sich aber weitgehend auf die jüngsten Entscheidungen des BAG zu Fragen der Massenentlassungsanzeige. Bei der Durchführung von Massenentlassungen ist angesichts der neuen strengen Linie der Rechtsprechung nunmehr größte Sorgfalt nicht nur im Hinblick auf die Beteiligungsrechte des Betriebsrats nach §§ 111 ff. BetrVG (Interessenausgleich, Sozialplan) und § 102 BetrVG (Anhörung vor einzelnen Kündigungen) sondern auch im Hinblick auf das gesamte Verfahren nach § 17 KSchG angezeigt. Vermeintlich  kleine Formfehler im Anzeigeverfahren können die Wirksamkeit aller Kündigungen in Frage stellen und damit fatale Folgen haben.

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