Arbeitnehmereigenschaft eines Schiedsrichterassistenten im Profifußball
Update Arbeitsrecht August 2025
LAG Köln, Beschluss vom 16.06.2025 – 5 Ta 58/25
Die Frage, ob Schiedsrichter im Profifußball als Arbeitnehmer anzusehen sind, beschäftigt die Gerichte seit Jahren. Mit seiner aktuellen Entscheidung bringt das LAG Köln Bewegung in die Diskussion: Es bejaht die Arbeitnehmereigenschaft eines Schiedsrichterassistenten der 3. Liga und eröffnet damit den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für eine Altersdiskriminierungsklage nach § 15 AGG. Die Entscheidung kann erhebliche Bedeutung für Sportverbände, Vereine und alle, die im Profisport „selbstständig“ tätig sind, haben.
Sachverhalt
Der 28-jährige Kläger pfeift seit Jahren in den Amateurklassen und wird seit der Saison 2021/2022 in der Regionalliga eingesetzt. Für die Saison 2024/2025 bewarb er sich – erfolglos – um einen Platz als Schiedsrichterassistent in der 3. Liga. Die Nichtberücksichtigung begründete er mit Altersdiskriminierung und machte Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche nach § 15 AGG geltend.
Vorab strittig war jedoch der Rechtsweg: Die Beklagte hielt den Kläger nicht für einen Arbeitnehmer, da der mit Schiedsrichterassistenten geschlossene Rahmenvertrag ausdrücklich eine selbstständige Tätigkeit vorsehe, keinerlei Einsatzpflicht begründe und lediglich eine Vergütung pro Spiel (€ 675,00) vorsehe. Zudem könnten Einsätze jederzeit abgelehnt werden. Das ArbG Bonn verwies den Rechtsstreit in Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung an die ordentliche Gerichtsbarkeit. Hiergegen legte der Kläger Beschwerde ein.
Entscheidung
Das LAG Köln änderte den Beschluss und erklärte den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für zulässig (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 c ArbGG). Nach Würdigung sämtlicher Umstände sah das LAG Köln das zwischen den Parteien abgeschlossene Vertragsverhältnis als Arbeitsvertrag an (§ 611a BGB).
Zwar enthält der Rahmenvertrag keine explizite Arbeitspflicht, doch werde sie faktisch durch organisatorische Maßnahmen ersetzt. Die Beklagte führe eine Schiedsrichterliste, teile die Assistenten verbindlich über ein Portal ein und sanktioniere Absagen – etwa durch Nichtansetzungen oder Streichung von der Liste. Die Schiedsrichterordnung regele umfassende Pflichten (Teilnahme an Lehrabenden, sportliche Fitness, Tragen vorgegebener Kleidung, Vor- und Nachbereitung des Spiels) und verleihe den Schiedsrichterausschüssen Disziplinarbefugnisse, die einer arbeitgeberseitigen Weisungs- und Sanktionierungsmacht gleichkämen. Die Tätigkeit sei persönlich zu erbringen und in eine fremde, von der Beklagten organisierte Arbeitsstruktur eingegliedert; der Kläger könne weder Ort noch Zeit der Einsätze wesentlich beeinflussen. Die vertragliche Bezeichnung („selbstständig“) sei unbeachtlich, wenn die tatsächliche Durchführung auf persönliche Abhängigkeit hinauslaufe.
Damit seien aus Sicht des LAG Köln die prägenden Merkmale eines Arbeitsverhältnisses erfüllt.
Praxistipp
Die Entscheidung des LAG Köln ist kritisch zu würdigen, da die dort vorgenommene Auslegung nicht zwingend erscheint. Vielmehr lässt sich auch die gegenteilige Auffassung überzeugend vertreten, wie dies bereits in der bisherigen Rechtsprechung der Fall war.
Sportverbände und andere Organisationen, die regelmäßig Spielleitungen vergeben, sollten ihre Vertragsstrukturen und deren praktische Umsetzung überprüfen. Entscheidend ist nicht die Etikettierung als „freier Mitarbeiter“, sondern die tatsächliche Einbindung, Weisungsabhängigkeit und Sanktionsmöglichkeit. Werden Einsätze geplant, Weisungen zu Trainings- und Fortbildungen erteilt und Absagen sanktioniert, kann immer das Risiko bestehen, dass ein solches Vertragsverhältnis als Arbeitsverhältnis ausgelegt wird. Die Konsequenz daraus wäre folgende:
- Anwendbarkeit sämtlicher Arbeitnehmerschutzvorschriften (u. a. Kündigungsschutz, Entgeltfortzahlung, Urlaub, Arbeitszeit).
- Zuständigkeit der Arbeitsgerichte – auch bei AGG-Ansprüchen.
- Sozialversicherungspflicht und ggf. erhebliche Nachforderungen.
Verbände sollten klar definieren, welche Personen sie tatsächlich als freie Dienstleister einsetzen können. Wo echte Flexibilität gewünscht ist, müssen Weisungen und Sanktionen auf das absolut Notwendige beschränkt sein. Andernfalls kann eine gerichtliche Einstufung als Arbeitsverhältnis mit allen arbeits- und sozialrechtlichen Folgen drohen.