Betriebsratsanhörung bei Kündigung in der Wartezeit und Darlegungslast des Arbeitgebers für die Boten- bzw. Vertretungsmacht des Anhörenden
Update Arbeitsrecht September 2025
LAG Köln, Urteil vom 2.4.2025 – 5 SLa 536/24
Die Betriebsratsanhörung nach § 102 Abs. 1 BetrVG gibt nicht selten Anlass für Streitigkeiten rund um die Wirksamkeit einer Kündigung und stellt Arbeitgeber häufig vor große Herausforderungen. Bei auch nur kleinsten Fehlern droht die scharfe Sanktion der Unwirksamkeit der Kündigung. Auch bei vermeintlich „einfachen“ Kündigungssachverhalten wie bei einer Wartezeitkündigung (auch als „Probezeitkündigung“ bekannt), also einer Kündigung vor Eintritt des allgemeinen Kündigungsschutzes – muss der Betriebsrat angehört werden. Dass die formellen Anforderungen, die an eine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats gestellt werden, nicht auf die leichte Schulter genommen werden sollten und auch im Fall einer Wartezeitkündigung von großer Bedeutung sind, zeigt ein kürzlich vom LAG Köln (Urteil vom 2. April 2025 -5 SLa 536/24) entschiedener Fall.
Sachverhalt
Der Kläger wurde während der Probezeit von der Arbeitgeberin gekündigt. Die Anhörung des bei der Arbeitgeberin existierenden Betriebsrats erfolgte per E-Mail mit klarer Mitteilung der Kündigungsabsicht und Begründung. Der Arbeitnehmer wandte sich jedoch gegen die Kündigung und argumentierte u.a., der Betriebsrat sei nicht ordnungsgemäß beteiligt worden, insbesondere, weil die Personalleiterin die Anhörung durchgeführt habe und keine Bevollmächtigung seitens des Geschäftsführers vorgelegen habe.
Entscheidung des LAG Köln vom 2. April 2025
Das LAG Köln lies die Argumentation des Klägers nicht gelten und wies die Berufung des Arbeitnehmers als unbegründet zurück. Die Beklagte habe den Betriebsrat ordnungsgemäß beteiligt. Der Hinweis der Beklagten auf die mangelnde Eignung des Klägers für dessen Position sowie zur Mitarbeiterführung genüge den Anforderungen an die Substanziierungspflicht der Anhörung nach § 102 BetrVG. Stütze der Arbeitgeber im Falle von Wartezeitkündigungen seine Kündigungsabsicht auf ein personenbezogenes Werturteil, sei allein die Mitteilung dieses Werturteils ohne weitere Substanziierung oder Begründung für die ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung ausreichend. Selbst wenn dem Werturteil konkretisierbare Tatsachenelemente zugrunde lägen, müsse sich die Mitteilung an den Betriebsrat nicht darauf erstrecken. Denn der erst nach Ablauf der Wartezeit eintretende Kündigungsschutz dürfe durch die Anforderungen, die an eine Anhörung nach § 102 BetrVG gestellt werden, nicht vorverlagert werden. Eine Prüfung der Kündigungsgründe durch den Betriebsrat sei nicht Zweck der Anhörung. Die Beklagte müsse zudem nicht darlegen und beweisen, dass die Personalleiterin durch den Geschäftsführer zur Durchführung des Anhörungsverfahrens bevollmächtigt gewesen sei. Da das Verfahren nach § 102 BetrVG keine Formvorschriften kenne, sei es nicht erforderlich, dass sich der Arbeitgeber nur ordnungsgemäß bevollmächtigter Personen bediene. Durch den Verzicht auf ein Formerfordernis habe der Gesetzgeber zu erkennen gegeben, dass die Betriebsratsanhörung für den Arbeitgeber leicht handhabbar sein solle. Daher könne der Betriebsrat eine Anhörung auch nicht nach § 174 BGB wegen der nicht erfolgten Vorlage einer Vollmachtsurkunde zurückweisen. Dementsprechend sei es auch nicht nach Sinn und Zweck des § 102 BetrVG geboten, vom Arbeitgeber in einem späteren Prozess die Darlegung der Bevollmächtigung zu verlangen.
Praxishinweis
Die Entscheidung des LAG Köln überzeugt, wenngleich bis zur abschließenden Klärung der Frage durch die Richter in Erfurt eine gewisse Rechtsunsicherheit bestehen bleibt. Der Fall ist derzeit nämlich in der Revisionsinstanz beim BAG anhängig. Arbeitgebern ist im Zusammenhang mit der Durchführung von Betriebsratsanhörungen daher auch bei vermeintlich „einfachen“ Kündigungssachverhalten wie Wartezeitkündigungen Folgendes zu empfehlen:
- Die Anhörung sollte – schon aus Beweisgründen – in der Regel in Schrift- oder Textform erfolgen.
- Sicherstellung, dass die Betriebsratsanhörung alle relevanten Kündigungsgründe eindeutig kommuniziert und Dokumentation des Eingangs beim Betriebsrat.
- Im Fall von Wartezeitkündigungen sollte die Betriebsratsanhörung – um unnötigen Diskussionen vorzubeugen – auf personenbezogene (subjektive) Werturteile gestützt werden – und nicht auf substantiierbare Tatsachen.
- Klare Strukturierung des Verfahrens und interne Festlegung, wer für Betriebsratsanhörungen zuständig ist, um unnötige Risiken im späteren Kündigungsschutzprozess zu minimieren.