Die Hürden bleiben hoch für eine Druckkündigung
Update Arbeitsrecht Juli 2025
LAG Niedersachsen vom 13.05.2025, Az. 10 SLa 687/24
Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen hat sich in einem aktuellen Urteil mit der sogenannten “Druckkündigung” beschäftigt. Dabei ging es um die Frage, ob ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer entlassen darf, wenn Dritte – zum Beispiel Kollegen – mit Nachteilen für den Arbeitgeber drohen, falls dem Arbeitnehmer nicht gekündigt wird. Das Urteil klärt, unter welchen Bedingungen eine solche Kündigung rechtmäßig ist und welche Pflichten den Arbeitgeber treffen.
Was ist eine Druckkündigung?
Eine Druckkündigung liegt vor, wenn Dritte, meist andere Mitarbeiter, vom Arbeitgeber verlangen, einen bestimmten Arbeitnehmer zu entlassen. Dabei drohen sie zumeist mit Nachteilen für den Arbeitgeber. Solche Nachteile können zum Beispiel Streiks, Massenkündigungen oder andere Störungen des Betriebsablaufs sein. Der Arbeitgeber steht dann unter Druck, dem Verlangen nachzugeben, um wirtschaftliche Schäden zu vermeiden.
Das Gericht unterscheidet zwei Fallgruppen:
- Das Verlangen der Dritten ist durch ein Verhalten des betroffenen Arbeitnehmers oder durch einen in seiner Person liegenden Grund objektiv gerechtfertigt. In diesem Fall liegt es im Ermessen des Arbeitgebers, eine personen- oder verhaltensbedingte Kündigung auszusprechen.
- Fehlt eine objektive Rechtfertigung, kommt nur eine betriebsbedingte Kündigung in Betracht. Hier gelten besonders strenge Anforderungen.
Pflichten des Arbeitgebers bei einer Druckkündigung
Im vorliegenden Fall hatte der Arbeitgeber für die Rechtfertigung einer verhaltens- oder personenbedingten Kündigung laut Gericht nicht hinreichend vorgetragen.
Das Gericht betonte, dass bei einer „echten“ (betriebsbedingten) Druckkündigung der Arbeitgeber nicht einfach dem Druck der Belegschaft oder Dritter nachgeben darf. Er sei vielmehr verpflichtet, sich schützend vor den betroffenen Arbeitnehmer zu stellen. Das bedeute, er muss alles Zumutbare unternehmen, um die Belegschaft oder die Dritten von ihrer Drohung abzubringen. Dazu gehören zum Beispiel Gespräche, Vermittlungsversuche oder Mediationen. Erst wenn diese Maßnahmen erfolglos bleiben und weiterhin mit erheblichen Nachteilen für den Betrieb zu rechnen ist, kann eine Kündigung gerechtfertigt sein. Die Kündigung muss dann aber das einzige Mittel sein, um die drohenden Schäden abzuwenden.
Im vorliegenden Fall hatte der Arbeitgeber nach Ansicht des Gerichts nicht ausreichend versucht, den Konflikt zu lösen. Es gab zwar Mediationsangebote, aber diese waren entweder nicht ausreichend bzw. der Zugang eines solchen Angebots beim betroffenen Arbeitnehmer wurde wirksam bestritten. Auch andere Maßnahmen, wie betriebsinterne Gespräche oder eine klare Positionierung der Geschäftsführung gegen diskriminierendes Verhalten, wurden nicht ausreichend ergriffen. Das Gericht stellte daher fest, dass der Arbeitgeber seiner Fürsorgepflicht nicht nachgekommen sei.
Auflösungsantrag des Arbeitgebers
Ein weiterer wichtiger Punkt des Urteils betrifft den sogenannten Auflösungsantrag. Wenn eine ordentliche Kündigung unwirksam ist, können die Parteien jeweils (unter gewissen Voraussetzungen) beim Gericht beantragen, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen. Vorliegend wurde jedoch eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist verhandelt. Der Arbeitgeber kann einen solchen Antrag nur stellen, wenn es um eine ordentliche Kündigung geht. Bei einer außerordentlichen Kündigung, die sich später als unwirksam herausstellt, steht dieses Recht ausschließlich dem Arbeitnehmer zu. Der Gesetzeswortlaut ist diesbezüglich eindeutig. Dies gilt laut Gericht auch dann, wenn die außerordentliche Kündigung mit einer Auslauffrist ausgesprochen wurde, also einer Frist, die der (theoretisch anwendbaren) ordentlichen Kündigungsfrist entspricht. Dies kann notwendig sein, wenn die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung, wie vorliegend, tariflich ausgeschlossen ist. Der Gesetzgeber habe sich bewusst gegen eine Gleichstellung von ordentlicher und außerordentlicher Kündigung entschieden. Damit war es dem Arbeitgeber vorliegend verwehrt, einen solchen Auflösungsantrag zu stellen.
Konsequenzen für die Praxis
Das Urteil macht deutlich, dass Arbeitgeber bei Druckkündigungen sehr sorgfältig vorgehen müssen. Sie dürfen nicht vorschnell dem Druck von Kollegen oder Dritten nachgeben, sondern müssen aktiv versuchen, den Konflikt zu lösen und den betroffenen Arbeitnehmer zu schützen. Erst wenn alle zumutbaren Maßnahmen ausgeschöpft sind und weiterhin erhebliche Nachteile für den Betrieb drohen, kann eine Kündigung gerechtfertigt sein. Außerdem ist der Weg über den Auflösungsantrag für Arbeitgeber bei unwirksamen außerordentlichen Kündigungen versperrt.