30.06.2025 Fachbeitrag

„Hauptbetrieb“ im Sinne von § 4 Abs. 2 BetrVG

Update Arbeitsrecht Juni 2025

BAG, Urteil vom 22.01.2025 – 7 ABR 23/23

Die Betriebsratswahl ist ein zentraler Bestandteil der Mitbestimmung in Unternehmen und unterliegt strengen gesetzlichen Vorgaben. Das Bundesarbeitsgericht hat in einer aktuellen Entscheidung die Grenzen der Briefwahl bei Betriebsratswahlen präzisiert und klargestellt, dass eine generelle Briefwahl nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig ist. Diese Entscheidung hat weitreichende Auswirkungen auf die Praxis der Betriebsratswahlen und verdeutlicht die Notwendigkeit einer sorgfältigen Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen.

Sachverhalt

Das Bundesarbeitsgericht hatte über die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl bei einem bundesweit tätigen Lebensmitteldiscounter zu entscheiden. Im betroffenen Bezirk „Nord-West“ mit über 7700 Wahlberechtigten, verteilt auf 467 Filialen, hatte der Wahlvorstand für sämtliche Beschäftigte eine reine Briefwahl angeordnet. Ein Hauptbetrieb bestand in diesem Bezirk nicht. Nach der Wahl, bei der 2029 gültige Stimmen abgegeben wurden, focht eine Gruppe von acht Beschäftigten die Wahl an. Sie rügten insbesondere, dass die generelle Anordnung der Briefwahl gegen die gesetzlichen Vorgaben verstoße.

Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht stellte klar, dass die Anordnung einer reinen Briefwahl für alle Wahlberechtigten gegen die zwingenden Vorgaben des § 24 Wahlordnung (WO) verstößt. Nach dem Gesetz ist die Briefwahl nur für Betriebsteile und Kleinstbetriebe zulässig, die räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt sind. Für den Hauptbetrieb selbst – oder, wie hier, für den gesamten Bezirk – kann der Wahlvorstand keine generelle Briefwahl anordnen. Auch organisatorische Schwierigkeiten, wie die große Zahl weit verteilter Filialen oder viele Teilzeitkräfte, rechtfertigen keine Abweichung von den gesetzlichen Vorgaben. Die Briefwahl soll die Ausnahme bleiben, um die Integrität und Geheimhaltung der Wahl zu sichern. Eine analoge Anwendung der Vorschrift auf Fälle ohne Hauptbetrieb lehnte das Bundesarbeitsgericht ab. Es fehle an einer planwidrigen Regelungslücke und die Rechtsfolge einer generellen Briefwahl sei vom Gesetzgeber gerade nicht vorgesehen. Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Wahlergebnis durch die unzulässige Briefwahl beeinflusst wurde, ist die Wahlanfechtung begründet. Die Sache wurde an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen, um offene Fragen zur Einhaltung der Anfechtungsfrist und der formellen Anforderungen an die Wahlanfechtung zu klären.

Praxistipp

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts verdeutlicht, dass die Anordnung einer Briefwahl für alle Beschäftigten eines Betriebs oder Bezirks nur in den ausdrücklich gesetzlich geregelten Ausnahmefällen zulässig ist. Wahlvorstände müssen die Voraussetzungen des § 24 WO strikt beachten. Organisatorische oder praktische Schwierigkeiten bei der Durchführung einer Urnenwahl rechtfertigen keine generelle Briefwahl. Bei Verstößen gegen diese Grundsätze ist eine Wahlanfechtung regelmäßig begründet, sofern das Wahlergebnis beeinflusst sein kann. Arbeitgeber sollten daher die gesetzlichen Vorgaben zur Durchführung der Betriebsratswahl sorgfältig beachten, um die Wirksamkeit der Wahl nicht zu gefährden.

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