29.08.2025 Fachbeitrag

Kündigung einer Konsulatsmitarbeiterin – Kein Zugang zur deutschen Gerichtsbarkeit wegen Staatenimmunität?

Update Arbeitsrecht August 2025

BAG Urteil v. 3. April 2024, Az: 2 AZR 72/24

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat sich mit der Frage beschäftigt, ob und inwieweit deutsche Gerichte die Kündigung einer Mitarbeiterin durch einen ausländischen Staat überprüfen dürfen. Im Mittelpunkt stand dabei die sogenannte Staatenimmunität, also das Prinzip, dass Staaten nicht vor den Gerichten anderer Staaten verklagt werden können, insbesondere wenn es um hoheitliche Tätigkeiten geht.

Hintergrund des Falls

Die Klägerin, eine seit 1999 beim Generalkonsulat eines ausländischen Staates beschäftigte Mitarbeiterin, war zuletzt in der sogenannten „Federal Benefits Unit“ tätig. Diese Abteilung unterstützt Empfänger von US-Sozialversicherungsleistungen in Deutschland, der Schweiz, Liechtenstein und Österreich. Die Klägerin war einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt und unterlag daher dem besonderen Kündigungsschutz nach deutschem Recht.

Im August 2020 kündigte der ausländische Staat das Arbeitsverhältnis ordentlich. Die Klägerin erhob daraufhin Kündigungsschutzklage vor dem zuständigen Arbeitsgericht. Sie argumentierte, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt und zudem ohne die erforderliche Zustimmung des Integrationsamts erfolgt, was sie nach deutschem Recht unwirksam mache. Der beklagte Staat berief sich hingegen auf die Staatenimmunität und darauf, dass die Klägerin hoheitliche Aufgaben ausgeübt habe. Außerdem sei ihr die für die Tätigkeit notwendige „Security Certification“ entzogen worden, was eine Weiterbeschäftigung unmöglich mache.

Rechtliche Kernfragen

Das zentrale rechtliche Problem war, ob deutsche Gerichte befugt sind, die Kündigung zu überprüfen, wenn ein ausländischer Staat als Arbeitgeber auftritt und sich auf hoheitliche Gründe beruft. Staaten und ihre Organe sind grundsätzlich nicht der Gerichtsbarkeit anderer Staaten unterworfen, wenn es um hoheitliche Tätigkeiten geht.

Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht hatten die Klage der Mitarbeiterin abgewiesen, weil sie davon ausgingen, dass die Überprüfung der Kündigung wegen des Grundsatzes der Staatenimmunität unzulässig sei. Das BAG hat diese Entscheidungen jedoch aufgehoben und klargestellt, dass die deutsche Gerichtsbarkeit in diesem Fall nicht pauschal ausgeschlossen ist.

Wesentliche Erwägungen des Gerichts

Das BAG stellte fest, dass die Überprüfung der Wirksamkeit einer Kündigung durch einen ausländischen Staat nicht generell ausgeschlossen ist. Entscheidend sei, ob die Tätigkeit der Klägerin tatsächlich hoheitlicher Natur war. Das bedeutet: Es kommt darauf an, ob die Aufgaben der Klägerin so eng mit den hoheitlichen Aufgaben des Staates verbunden waren, dass eine gerichtliche Überprüfung den Kernbereich der Staatsgewalt (Gesetzgebung, Rechtspflege, Ausübung der Polizeigewalt, Betätigung der auswärtigen oder militärischen Gewalt) betreffen würde.

Das BAG betonte, dass nicht jede Tätigkeit in einer Botschaft oder einem Konsulat automatisch hoheitlich ist. Vielmehr muss im Einzelfall geprüft werden, ob die konkrete Tätigkeit – hier die Unterstützung von Sozialleistungsempfängern – tatsächlich hoheitlich ist oder eher verwaltend und damit privatrechtlich. Nur wenn die Tätigkeit im Kernbereich der Staatsgewalt liegt, ist die Staatenimmunität zwingend.

Ein weiterer wichtiger Punkt war die Frage, ob die Entziehung der „Security Certification“ ein ausreichender Kündigungsgrund ist und ob deutsche Gerichte diesen Grund überprüfen dürfen. Das BAG stellte klar, dass zwar die inhaltliche Überprüfung eines ausländischen Hoheitsakts (wie die Entziehung der Sicherheitszertifizierung) grundsätzlich ausgeschlossen ist, aber sehr wohl geprüft werden kann, ob ein solcher Akt überhaupt vorliegt und ob er für die Tätigkeit der Klägerin tatsächlich erforderlich war.

Zudem erklärte das Gericht, dass der besondere Kündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen auch für Arbeitnehmer gilt, die bei ausländischen Konsulaten beschäftigt sind, sofern das Arbeitsverhältnis deutschem Recht unterliegt.

Folgen des Urteils

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts macht deutlich, dass die Kündigung von Mitarbeitern ausländischer Konsulate in Deutschland nicht pauschal der deutschen Gerichtsbarkeit entzogen ist.

Das BAG hat daher das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen. Das Landesarbeitsgericht muss nun klären, ob die Tätigkeit der Klägerin tatsächlich hoheitlich war. Sollte dies nicht der Fall sein, muss geprüft werden, ob die Kündigung sozial gerechtfertigt war und ob die Voraussetzungen für eine Kündigung eines schwerbehinderten Menschen eingehalten wurden.

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