30.07.2019Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht Juli 2019

Zustimmungspflichtige Versetzung bei Wechsel in innerbetriebliche „Job Service und Placement“ Einheit

BAG Urteil vom 09.04.2019 – 1 ABR 30/17

Der Wechsel eines Arbeitnehmers nach Wegfall des Arbeitsplatzes in die Betreuung durch eine innerbetriebliche „Job Service und Placement“ Einheit stellt eine zustimmungspflichtige Versetzung i.S.d § 99 Abs. 1 BetrVG dar. Wird das Auswahlverfahren gem. einer Rahmenvereinbarung durch die Betriebsparteien ausgeführt, erstreckt sich die Unterrichtung im Zustimmungsverfahren auch auf das Auswahlverfahren.

Sachverhalt

Die Arbeitgeberin und der Gesamtbetriebsrat schlossen eine Rahmenvereinbarung zur Auswahl der Beschäftigten, die aufgrund eines Interessenausgleichs von einem Arbeitsplatzwegfall betroffen oder jedenfalls teilbetroffen waren. Unter Berücksichtigung festgelegter Kriterien waren die Arbeitnehmer durch ein paritätisch besetztes Komitee ausgewählt worden, welche in die Betreuung durch eine innerbetriebliche „Job Service und Placement“ Einheit (JSP) übergehen. Dort sollten die Arbeitnehmer bis zur Weitervermittlung auf einen anderen Arbeitsplatz betreut und auf der Suche nach anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeiten unterstützt werden. Die Arbeitnehmer blieben zu temporären Projekteinsätzen und Qualifizierungsmaßnahmen verpflichtet. Nachdem das Umsetzungsteam im streitgegenständlichen Fall den Wegfall des Arbeitsplatzes des betroffenen Arbeitnehmers feststellte und zum Wechsel in die JSP auswählte, beantragte die Arbeitgeberin die Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung des Arbeitnehmers. Der Betriebsrat verweigerte die Zustimmung.

Entscheidung

Nachdem das Arbeitsgericht die Anträge der Arbeitgeberin mangels ordnungsgemäßer Unterrichtung abwies, hat das Landesarbeitsgericht (LAG) die Beschwerde der Arbeitgeberin mit der Begründung zurückgewiesen, der Übergang des Arbeitnehmers sei keine mitbestimmungspflichtige Versetzung. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) ist der Auffassung, dass der Übergang des Arbeitnehmers in die Betreuung durch JSP eine Versetzung darstelle. Im Übrigen sei die Anhörung des Betriebsrats nicht ordnungsgemäß erfolgt. Damit war die Beschwerde des Betriebsrats gegen die Entscheidung des LAG erfolgreich.

Eine Versetzung liegt nach Ansicht des BAG vor, wenn sich das gesamte Bild der Tätigkeit des Arbeitnehmers so verändert hat, dass die neue Tätigkeit vom Standpunkt eines mit den betrieblichen Verhältnissen vertrauten Beobachters nunmehr als eine „andere“ anzusehen ist. Hingegen liegt bei Entzug der Tätigkeit ohne Zuweisung einer neuen Tätigkeit sowie bei der Freistellung für den Lauf der Kündigungsfrist keine Versetzung vor (vgl. BAG v. 08.11.2016 – 1 ABR 56/14). Da der Arbeitnehmer vorliegend seine bisherigen Aufgaben aufgibt und seine neue Aufgabe darin liegt, sich aktiv an der Weitervermittlung zu beteiligen sowie auf Anforderung temporäre Projekteinsätze durchzuführen, hat sich nach Auffassung des BAG die Tätigkeit geändert und stellt eine „andere“ dar. Die Arbeitspflichten sind nicht dauerhaft suspendiert, so dass es sich um eine zustimmungspflichtige Versetzung handelt.

Der Betriebsrat muss aufgrund der Unterrichtung in die Lage versetzt werden zu prüfen, ob einer der in § 99 Abs. 2 BetrVG genannten Zustimmungsverweigerungsgründe vorliegt (BAG v. 13.03.2013 – 7 ABR 39/11). Da es sich bei der Rahmenvereinbarung zwischen Arbeitgeberin und Gesamtbetriebsrat über das Auswahlverfahren um eine Richtlinie i.S.d. § 95 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 99 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG handelt und damit ein Verstoß gegen die Auswahlrichtlinie zur Verweigerung der Zustimmung berechtigt, muss der Betriebsrat in der Lage sein zu prüfen, ob die Vorgaben des Auswahlverfahrens eingehalten worden sind. Vorliegend lagen dem Betriebsrat nicht hinreichende Angaben vor, um zu prüfen, ob die Vorgaben des Auswahlverfahrens eingehalten worden sind.

Praxishinweis

Mit dieser Entscheidung betont das BAG die Rechte des Betriebsrates im Rahmen der personellen Einzelmaßnahmen. Erfreulicherweise qualifiziert das BAG weiterhin ein Outplacement sowie kurzfristige, kürzer als einen Monat andauernde, Qualifizierungseinheiten nicht als Versetzung i.S.d. § 95 BetrVG. Sofern es sich jedoch um eine personelle Einzelmaßnahme handelt, darf diese ohne Zustimmung des Betriebsrats nicht durchgeführt werden. Der Arbeitnehmer darf nicht die geänderte Tätigkeit aufnehmen; auch wenn – wie im vorliegenden Fall – der bisherige Arbeitsplatz entfallen ist.

Bei Unsicherheit über das Vorliegen einer personellen Einzelmaßnahme kann ein vorsorgliches Zustimmungsverfahren zu empfehlen sein. Sollte eine schnelle Lösung ohne Zustimmung des Betriebsrats dringend erforderlich sein, kann die personelle Einzelmaßnahme nach § 100 BetrVG zunächst vorläufig durchgeführt werden. Verweigert der Betriebsrat die Zustimmung zur vorläufigen Durchführung, hat der Arbeitgeber die Ersetzung der Zustimmung zu beantragen. Während des Zustimmungsersetzungsverfahrens kann der Arbeitgeber hiervon unberührt die Maßnahme ausführen und häufig wird sich diese bereits im Laufe des Verfahrens durch Zeitablauf erledigen.

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