Einwurf-Einschreiben nebst Sendestatus - kein Beweis des ersten Anscheins für Zugang
Update Arbeitsrecht April 2025
BAG-Urteil vom 30. Januar 2025 – 2 AZR 68/24
Einleitung
Das vorliegende Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 30. Januar 2025 befasst sich insbesondere mit den Anforderungen an den Nachweis des Zugangs eines Kündigungsschreibens. Dieser Nachweis gelingt bei einer Zustellung mittels Einwurf-Einschreibens nach Auffassung des BAG nicht, sofern der Absender lediglich den Einlieferungsbeleg und den online abrufbaren Sendungsstatus, nicht aber den Auslieferungsbeleg vorgelegen kann.
Sachverhalt
Die Klägerin war seit Mai 2021 als Sprechstundenhilfe bei der Beklagten beschäftigt. Am 14. März 2022 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich. Die Klägerin erhob daraufhin Kündigungsschutzklage und wies auf ihre bestehende Schwangerschaft hin. Das Arbeitsgericht stellte fest, dass diese Kündigung unwirksam war. Denn die Klägerin war schwanger und die Beklagte hatte die Kündigung nicht von der zuständigen Behörde für zulässig erklären lassen.
Am 25. Juli 2022 erhielt die Beklagte die Zustimmung der zuständigen Behörde zur Kündigung. Daraufhin kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin am 26. Juli 2022 erneut außerordentlich, hilfsweise ordentlich zum 30. September 2022. Die Klägerin bestritt den Zugang dieses Kündigungsschreibens.
Laut Vortrag der Beklagten hätten zwei ihrer Mitarbeiterinnen das Kündigungsschreiben gemeinsam in einen Briefumschlag gesteckt. Eine der Mitarbeiterinnen habe den Umschlag daraufhin persönlich bei der Post als Einwurf-Einschreiben aufgegeben. Der im Internet abrufbare Sendungsstatus habe angezeigt, dass das Schreiben der Klägerin am 28. Juli 2022 zugestellt worden sei.
Das Arbeitsgericht hat die gegen die erneute Kündigung gerichtete Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht (LAG) hat ihr stattgegeben. Mit ihrer Revision hat die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt.
Entscheidung
Das BAG bestätigte die Entscheidung des LAG. Der Beklagten sei es nicht gelungen, den Zugang des Kündigungsschreibens vom 26. Juli 2022 nachzuweisen.
Eine verkörperte Willenserklärung unter Abwesenden gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB gehe zu, sobald sie in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers gelange und dieser unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit habe, von ihr Kenntnis zu nehmen. Der Nachweis des Zugangs obliege dem Absender, in diesem Fall der Beklagten.
Die Beklagte habe – so das BAG – weder den Zugang des Kündigungsschreibens bei der Klägerin am 28. Juli 2022 durch Einwurf in den Briefkasten beweisen können noch greife zugunsten der Beklagten ein Anscheinsbeweis. Ein solcher Anscheinsbeweis für den tatsächlichen Zugang des Schreibens ergebe sich nicht aus dem vorgelegten Einlieferungsbeleg eines Einwurf-Einschreibens samt Sendungsnummer und dem online abgefragten Sendungsstatus.
Für die Begründung eines Anscheinsbeweis sei nach Auffassung des BAG zwingend die Vorlage eines Auslieferungsbelegs erforderlich. Denn die Vorlage des bloßen Sendungsstatus lasse weder erkennen, an wen die Zustellung erfolgt sein soll (persönlich an den Empfänger, an eine andere Person in dessen Haushalt oder Einwurf in den Hausbriefkasten) noch zu welcher Uhrzeit, unter welcher Adresse oder zumindest in welchem Zustellbezirk.
Da die Beklagte diesen Beleg nicht habe vorlegen können, sei sie beweisfällig geblieben.
Praxistipp
Das Urteil verdeutlicht die strengen Anforderungen an den Nachweis des Zugangs von Kündigungsschreiben. Der Beweis des Zugangs von Kündigungsschreiben ist zwar auch bei einer Zustellung mittels Einwurf-Einschreibens grundsätzlich möglich. Hierfür bedarf es aber – hierauf stellte das BAG in der Entscheidung auch ausdrücklich ab – der Reproduktion eines Auslieferungsbelegs. Die Anforderung eines solchen Auslieferungsbelegs ist innerhalb einer Frist von 15 Monaten möglich, da die Deutsche Post für diesen Zeitraum Kopien der Auslieferungsbelege speichert.
Zur rechtssicheren Wahrung von Fristen – und hierauf wird es bei der Zustellung von Kündigungen regelmäßig ankommen – lautet unsere klare Empfehlung, von einer Zustellung mittels Einwurf-Einschreibens abzusehen. Scheidet die Möglichkeit einer persönlichen Übergabe des Kündigungsschreibens am Arbeitsplatz unter Zeugen aus, sollte die Zustellung per Boten erfolgen.
Bei der Zustellung per Boten ist daran zu denken, dass der Bote den Inhalt der von ihm zuzustellenden Erklärung kennen muss. Dies bedeutet: Sie müssen den Boten das Kündigungsschreiben lesen lassen. Das Kuvertieren sollte deshalb erst nach dem Lesen im Beisein des Boten erfolgen. Schließlich sollte der Bote nach erfolgter Zustellung ein detailliertes Protokoll erstellen.