17.04.2019Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht April 2019

Europäische Whistleblowing-Richtlinie kommt im April 2019

Auf europäischer wie auf nationaler Ebene wird seit Jahren darüber diskutiert, wie man so genannte Whistleblower bestmöglich davor schützen kann, Opfer von „Rachefeldzügen“ durch diejenigen zu werden, deren Taten sie aufgedeckt haben. Whistleblower, das sind Menschen, die als „Insider“ (beispielsweise Angestellte) zweifelhafte Praktiken der Institutionen, für die sie tätig sind, offen legen. Zuvorderst denken wir hierbei an Menschen wie Edward Snowden, deren Veröffentlichungen sich gegen staatliche Maßnahmen richteten. Aber auch Panama-Papers, Luxemburg-Papers und vieles mehr sind Erkenntnisse, die durch Hinweisgeber (also Whistleblower) veröffentlicht wurden.

In Europa und Deutschland werden Whistleblower bisweilen als „Nestbeschmutzer“ gesehen.,  Sie müssen jedenfalls dann mit Kündigung und strafrechtlichen Maßnahmen rechnen, wenn sie die Öffentlichkeit bzw. Behörden einschalten, ohne zuvor betriebsintern den Kampf gegen die Fehlentwicklungen versucht haben. In den Diskussionen über die Einführung eines europäischen Whistleblower-Schutzes waren die Knackpunkte, über die einzelne Mitgliedsstaaten stark unterschiedlicher Auffassung waren, in aller Regel

  • die Relevanz der Motivation des Whistleblowers zur Veröffentlichung von Daten (der redliche Kampf für das Gute oder aber unredliche Rachegelüste),
  • die Erlangung der Kenntnisse (rechtmäßig oder aber rechtswidrig, beispielsweise durch unzulässiges Kopieren von Datensätzen) sowie
  • die Frage, ob Whistleblower zwingend zunächst interne Schritte unternehmen müssen, bevor sie Behörden und/oder Öffentlichkeit informieren können.

Am 12. März 2019 kam es nun zu einer Einigung zwischen Vertretern der EU-Staaten sowie des Europaparlaments. Diese soll am 17. April 2019 zur endgültigen Verabschiedung der Richtlinie führen. Der erzielte Kompromiss sieht im Wesentlichen die folgenden Regelungen vor:

  • Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern bzw. mehr als EUR 10 Mio. Umsatz sowie solche Unternehmen, für die aufgrund anderer Rechtsvorschriften eine solche Pflicht besteht (v.a. Finanzbranche), sind künftig zur Einrichtung eines internen Hinweisgeber-Systems (Whistleblowing-Hotline) verpflichtet.
  • Anwendbar ist der Whistleblower-Schutz bei (vermuteten) Verstößen gegen bestimmte Aspekte des Unionsrechts (d. h. bei rechtswidrigem Handeln), aber auch bei bloß (vermutetem) rechtsmissbräuchlichem (gleichwohl aber rechtmäßigem) Verhalten
  • Geschützt sind Arbeitnehmer, Selbstständige, Geschäftsführer, Vorstände, Anteilseigner, Praktikanten, Subunternehmer sowie Bewerber – der persönliche Anwendungsbereich ist demnach denkbar weit gefasst.
  • Es besteht keine zwingende Verpflichtung dazu, zunächst das interne Hinweisgebersystem zu nutzen; stattdessen ist der Hinweisgeber in einer Mehrzahl von Fällen dazu berechtigt, unmittelbar Behörden oder auch die Öffentlichkeit einzuschalten – etwa, wenn das Unternehmen kein Hinweisgeber-System hat oder er einen hinreichenden Grund zu der Annahme hatte, dass ein interner Hinweis etwaige Ermittlungen der zuständigen Behörden beeinträchtigen werde usw.
  • Überdies sollen Hinweisgeber vor Repressalien (beispielsweise Kündigungen, Versetzungen etc.) geschützt werden. Zu diesem Zwecke haben Hinweisgeber Zugang zu kostenloser Beratung, der Verstoß gegen Verschwiegenheitsverpflichtungen wird durch den berechtigten Hinweis legitimiert und in den Gerichtsverfahren über die Rechtmäßigkeit einer (angeblichen) Sanktionsmaßnahme gegenüber Hinweisgebern besteht eine Beweislastumkehr, so dass Arbeitgeber künftig nachweisen müssen, dass ihre Handlungen keine Sanktionen für das Hinweisgeben waren.
  • Zudem sollen wirksame Sanktionen gegen natürliche oder juristische Personen festgelegt werden, die Repressalien gegenüber Whistleblowern ergreifen.
  • Außerdem soll die Anonymität von Whistleblowern durch geeignete Maßnahmen sichergestellt werden.

Der Richtlinienentwurf selbst führt demnach dazu, dass Unternehmen nun schnellstmöglich, spätestens binnen der zweijährigen Umsetzungsfrist, interne Hinweisgeber-Systeme etablieren sollten. Es ist  bereits jetzt absehbar, dass der Richtlinienentwurf und seine Umsetzung zu erheblichen rechtlichen Diskussionen und Fragen führen werden.

Daneben aber gibt es noch weitere Fragestellungen, die sich auftun. Die Datenschutzgrundverordnung hat einen umfassenden Auskunftsanspruch von Arbeitnehmern über die beim Unternehmen über sie gespeicherten Daten begründet (Art. 15 DSGVO). Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (Urt. v. 28.12.2018 – 17 Sa 11/18) hat vor kurzem (vgl. unser aktuelles Updates Datenschutz dazu) ein Unternehmen dazu verurteilt, einem Mitarbeiter umfassende Informationen über die ihn gespeicherten Daten zu geben, über den aufgrund eines internen Hinweises Ermittlungen und schließlich Sanktionen ergriffen wurden. Mit anderen Worten: Der aufgrund eines internen Hinweisgebers zur Rechenschaft gezogene Übeltäter konnte im konkreten Fall nach Auffassung des LAG Baden-Württemberg die Preisgabe des Namens und der Umstände des internen Hinweisgebers gerichtlich erzwingen. Grund dafür war mutmaßlich die unspezifische Verteidigung gegen den Auskunftsanspruch auf Arbeitgeberseite.

Es wird spannend sein zu sehen, wie sich die Datenschutzgrundverordnung in Einklang mit der Whistleblowing-Richtlinie sowie deren nationalen Umsetzungsakten bringen lässt. Dies gilt umso mehr als das am 21. März .2019  beschlossene Geschäftsgeheimnisgesetz den Arbeitgebern (vgl. unser Update Compliance Nr. 5/2019) nun angemessene Geheimnisschutzmaßnahmen abfordert; ohne solche Schutzmaßnahmen liegt schon kein geschütztes Geheimnis vor, dessen „Verrat“ Sanktionen nach sich ziehen könnte.

All dies ist Anlass genug für uns, mit Ihnen demnächst in einer Reihe von Frühstücksveranstaltungen das Thema Whistleblowing-Hotline und deren Umsetzung zu diskutieren. Einladungen dazu folgen separat.

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