22.12.2020Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht Dezember 2020

Fristlose betriebsbedingte Änderungskündigung zur Umsetzung der Kurzarbeit

(Arbeitsgericht Stuttgart, Urteil vom 22.10.2020 Az.: 11 Ca 2950/20)

Kurzarbeit hat sich auch im Zuge der Corona-Pandemie als ein effektives und probates Mittel zur Abmilderung der negativen wirtschaftlichen Folgen erwiesen. Allerdings kann der Arbeitgeber gerade in den betriebsratslosen Betrieben Kurzarbeit auch beim Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld nicht einseitig ohne Zustimmung des Arbeitnehmers einführen. Eine solche vorweggenommene Zustimmung des Arbeitnehmers kann bereits im Arbeitsvertrag erteilt werden. Doch was tun, wenn dies versäumt wurde, der Arbeitnehmer sich weigert, seine Zustimmung zur Einführung der Kurzarbeit zu erteilen und die Fristen der ordentlichen Änderungskündigung recht lang sind? Für diesen Fall hat nun das Arbeitsgericht Stuttgart entscheiden: die Kurzarbeit kann auch mittels einer fristlosen betriebsbedingten Änderungskündigung eingeführt werden.

Der Entscheidung des Arbeitsgerichts Stuttgart lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin war bei der Beklagten (Zeitarbeitsunternehmen) als Personaldisponentin angestellt. Aufgrund der COVID-19-Pandemie verzeichnete die Beklagte einen erheblichen Arbeitsausfall und zeigte ihn bei der Bundesagentur für Arbeit an, worauf diese das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld bestätigte und das Kurzarbeitergeld bewilligte. Der Bitte der Beklagten, eine Vereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit zu unterzeichnen, kam die Klägerin nicht nach. Daraufhin sprach die Beklagte der Klägerin eine außerordentliche fristlose und hilfsweise ordentliche Änderungskündigung zum 31. Juli 2020 aus und bat ihr zugleich die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit der Maßgabe an, dass sie beim Vorliegen der Voraussetzungen des §§ 95 ff. SGB III berechtigt sein soll, für einen bestimmten Zeitraum Kurzarbeit einzuführen und die Vergütung der Klägerin entsprechend der Reduzierung der Arbeitszeit anzupassen. Die übrigen arbeitsvertraglichen Bedingungen sollten unverändert bleiben. 

Das Arbeitsgericht Stuttgart wies die Klage auf die Feststellung der Unwirksamkeit der außerordentlichen fristlosen Änderungskündigung ab. Ein Verweis auf die ordentliche Kündigung bei der Einführung von Kurzarbeit führe nach Auffassung der Arbeitsgerichts Stuttgart dazu, dass aufgrund des drohenden Zeitablaufs der Arbeitgeber die Regelungsinstrumentarien der Kurzarbeit nicht mehr sinnvoll nutzen könne, da die Kurzarbeitsphase genauso schnell vorbei sein kann. Dies gelte vor allem in der Corona-bedingten Situation, bei der die Schließung (aber auch Öffnung) von Einrichtungen ohne längere Ankündigung erfolge, was sich unvorhersehbar kurzfristig auf den Arbeitsbedarf auswirke. Würde man auf eine ordentliche Änderungskündigung abstellen, wäre die Einführung von Kurzarbeit nach Ansicht des Arbeitsgerichts Stuttgart gerade bei längeren Kündigungsfristen praktisch ausgeschlossen. 

Eine außerordentliche betriebsbedingte Änderungskündigung zwecks Einführung der Kurzarbeit sei daher sozial gerechtfertigt und verhältnismäßig gewesen, da sie durch die dringenden betrieblichen Erfordernisse, nämlich einen erheblichen Arbeitsausfall iSd § 96 SGB III bedingt gewesen sei und der Arbeitnehmer die verhältnismäßigen Änderungen hinzunehmen habe. Die Anordnung der Kurzarbeit wurde vom Vorliegen der persönlichen Voraussetzungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld in der Person des Arbeitnehmers abhängig gemacht, eine Ankündigungsfrist wurde beachtet und die Kurzarbeit war zeitlich begrenzt. Der strenge Maßstab, den die Rechtsprechung bei Änderungskündigungen zur Entgeltreduzierung anwende, sei vorliegend nicht anzulegen, da die Kurzarbeit zum einen nicht in das Äquivalenzinteresse der Parteien eingreife und zum anderen auch nicht dauerhaft eingeführt werde. 

Die Entscheidung und die Argumentation des Arbeitsgerichts Stuttgart sind zu begrüßen, da sie Klarheit auf der rechtlichen Ebene hinsichtlich der Arbeitgeberbefugnisse bei der Einführung von Kurzarbeit schafft und die Handlungsspielräume der Arbeitgeber erweitert. Dem grundsätzlich zu berücksichtigenden Arbeitnehmerschutz wird dennoch dadurch Rechnung getragen, dass die Änderungskündigung nur zwingende Änderungen umfassen darf und stets hinreichend bestimmt zu formulieren ist. 

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