30.04.2025 Fachbeitrag

Nachvertragliches Wettbewerbsverbot – Berücksichtigung von virtuellen Aktienoptionen bei der Berechnung der Karenzentschädigung

Update Arbeitsrecht April 2025

BAG, Urteil vom 27. März 2025 - 8 AZR 63/24

Einleitung

Vereinbaren Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot, so hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für die Dauer des Wettbewerbsverbots eine Entschädigung – die sogenannte Karenzentschädigung – zu zahlen. Die Karenzentschädigung beträgt für jedes Jahr des Wettbewerbsverbots mindestens 50 Prozent der von dem Arbeitnehmer zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen (§ 74 Abs. 2 HGB). Soweit diese vertragsmäßigen Leistungen in wechselnden Bezügen liegen, sind sie nach dem Durchschnitt der letzten drei Jahre in die Karenzentschädigung einzuberechnen (§ 74b Abs. 2 HGB).

Mit Urteil vom 27. März 2025 hat das BAG nunmehr die Frage geklärt, wie virtuelle Aktienoptionen bei der Berechnung der Karenzentschädigung zu berücksichtigen sind. Entscheidend ist dabei, zu welchem Zeitpunkt die Optionen ausgeübt worden sind.

Sachverhalt

Der Kläger war ab dem 1. Oktober 2019 bei der Beklagten mit einem festen Bruttojahresentgelt i.H.v. EUR 100.000,00 beschäftigt. Zwischen den Parteien war ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot im Sinne von §§ 74 ff. HGB vereinbart. Die Beklagte teilte dem Kläger virtuelle Aktienoptionen zu, die grundsätzlich keinen Anspruch auf Übertragung von Aktien, sondern auf eine Zahlung in Geld begründeten. Die virtuellen Optionsrechte mussten zunächst durch Arbeitsleistung während einer „Vesting Period“ über einen Zeitraum von bis zu vier Jahren schrittweise „erdient“ werden. Nach Ablauf der „Vesting Period“ konnten die Optionen unter der Voraussetzung ausgeübt werden, dass ein Ausübungsereignis in Form eines Share Deals, Asset Deals oder eines Börsengangs eintrat. Nach dem Eintritt eines solchen Ereignisses im September 2021 übte der Kläger bereits erdiente („gevestete“) Optionsrechte aus. Die Beklagte rechnete diese Optionen im Oktober 2021 mit EUR 161.394,79 brutto ab. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete aufgrund eines Aufhebungsvertrags zum 30. Juni 2022. Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses übte der Kläger weitere Optionsrechte aus, die die Beklagte im Oktober 2022 mit EUR 17.706,32 brutto abrechnete.

Das BAG hatte darüber zu entscheiden, ob die Zahlungen aus den virtuellen Aktienoptionen zur maßgeblichen Vergütung im Sinne des § 74 Abs. 2 HGB gehören und damit bei der Berechnung der Karenzentschädigung zu berücksichtigen sind oder nicht.

Entscheidung des BAG

Mit Urteil vom 27. März 2025 hat das BAG entschieden, dass Leistungen aus einem Programm über virtuelle Aktienoptionen bei der Berechnung der Karenzentschädigung nur dann zu berücksichtigen sind, wenn die Optionen von dem Arbeitnehmer im laufenden Arbeitsverhältnis ausgeübt worden sind. Optionen, die nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgeübt worden sind, bleiben hingegen unberücksichtigt. Entscheidend ist also, wann die Optionen ausgeübt wurden. Im Einzelnen:

Die von der Beklagten im laufenden Arbeitsverhältnis erbrachten Leistungen aus dem Programm über virtuelle Aktienoptionen gehören zu den vom Kläger zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen nach § 74 Abs. 2 HGB in Form von wechselnden Bezügen im Sinne von § 74b Abs. 2 HGB. Sie stellen eine Gegenleistung für die vom Kläger im Arbeitsverhältnis erbrachte Arbeitsleistung dar. Sie sind damit – ebenso wie Festgehalt, Boni oder andere geldwerte Vorteile – bei der Bemessung der Karenzentschädigung zu berücksichtigen. Bei der Berechnung der Karenzentschädigung sind sie nach § 74b Abs. 2 HGB mit dem Durchschnitt der letzten drei Jahre bzw. der Dauer des Bestehens der maßgebenden Vertragsbestimmung – vorliegend 33 Monate – in Ansatz zu bringen. Entscheidend ist dabei, dass die Optionsrechte während des bestehenden Arbeitsverhältnisses im Zeitraum des § 74b Abs. 2 HGB ausgeübt worden sind.

Dagegen fallen Leistungen der Beklagten aufgrund der Ausübung von Optionsrechten nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht unter die zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen im Sinne von § 74 Abs. 2 HGB. Sie sind daher nicht in die Berechnung der Karenzentschädigung einzubeziehen.

Praxishinweis

Die Entscheidung des BAG bringt ein Stück Rechtssicherheit im Hinblick auf die Berechnung der Karenzentschädigung in Bezug auf virtuelle Beteiligungsmodelle. Offen bleibt allerdings, ob das Urteil auch auf Vergütungsmodelle übertragbar ist, die auf die Gewährung „echter“ Beteiligungen gerichtet sind. 

Arbeitgeber sollten diese Entscheidung des BAG für Folgendes zum Anlass nehmen:

  • Vor der Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots sollte geprüft werden, ob der zu zahlenden Karenzentschädigung auch bei Berücksichtigung von Leistungen aus virtuellen Beteiligungen ein angemessener wirtschaftlicher Nutzen des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots gegenübersteht.
  • Bei Arbeitnehmern, mit denen bereits ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart worden ist, sollte die Wirtschaftlichkeit des nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes regelmäßig überprüft werden. Sollte keine Wirtschaftlichkeit mehr gegeben sein, ist ein Verzicht auf das nachvertragliche Wettbewerbsverbot in Betracht zu ziehen.
  • Bei der Ausgestaltung von Programmen über (virtuelle) Aktienoptionen sollten auch ihre Auswirkungen auf Karenzentschädigungen berücksichtigt werden. So könnte beispielsweise in Betracht gezogen werden, im Rahmen des Beteiligungsprogrammes bestimmte Ausübungszeiträume in Bezug auf begrenzte Kontingente vorzugeben, um die Auswirkungen auf die Karenzentschädigung zu begrenzen.
  • Die Zuteilung, das Vesting sowie die Ausübung der Optionen sollte sauber dokumentiert werden, um die Abrechnung der Karenzentschädigung später nachvollziehbar gestalten zu können.
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