18.12.2020FachbeitragCorona

Update Kapitalmarktrecht Nr. 41

Sonderregelungen für die fortdauernde Krise: Notfallgesetzgebung für Hauptversammlungen 2021 – Update und praktische Hinweise

Der Bundestag hat am 17. Dezember 2020 zahlreiche Änderungen der Notfallgesetzgebung zur COVID-19-Pandemie beschlossen, die sich auch auf einige Regelungen der virtuellen Hauptversammlung auswirken. Durch das nun beschlossene Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens wurde auch das Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie vom 27. März 2020, das durch Art. 2 des Gesetzes vom 28. Oktober 2020 geändert worden war, (COVID-19-Gesetz) bzgl. des Frage- und Antragsrechts der Aktionäre in der virtuellen Hauptversammlung geändert. Durch das COVID-19-Gesetz war im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie die Möglichkeit einer rein virtuellen Hauptversammlung geschaffen worden, von der die Aktiengesellschaften im abgelaufenen Jahr bereits rege Gebrauch gemacht haben. Erst kürzlich waren diese Regelungen auf dem Verordnungswege bis Ende 2021 verlängert worden. In diesem Beitrag stellen wir die jüngsten Gesetzesänderungen dar und erläutern ausgewählte Einzelfragen im Zusammenhang mit der Vorbereitung und Durchführung virtueller Hauptversammlungen und geben praktische Hinweise dazu.

Gesetzliche Neuregelungen

Die gesetzlichen Neuregelungen dienen der Stärkung der Aktionärsrechte in der virtuellen Hauptversammlung, schaffen aber auch Klarheit bei bislang uneindeutigen Regelungen. Anstelle der bisherigen Fragemöglichkeit wird den Aktionären nun auch in der virtuellen Hauptversammlung ein ausdrückliches Fragerecht zugebilligt. Dies geht einher mit einer Einschränkung des Ermessens des Vorstands bzgl. der Fragenbeantwortung, das nun auf das „Wie“ der Beantwortung reduziert wird und damit nicht mehr das „Ob“ umfasst. Damit hat der Aktionär also das Recht, dass sämtliche gestellten Fragen beantwortet werden, soweit sie nach den allgemeinen aktienrechtlichen Regelungen zulässig sind. Es besteht jedoch weiterhin ein Ermessen des Vorstands insoweit, als dass er Antworten zusammenfassen kann, wenn ihm dies sinnvoll erscheint. Dadurch soll nach Auffassung des Gesetzgebers zum einen die Rechtsposition der Aktionäre gestärkt werden, zum anderen aber auch die Handhabbarkeit des Fragerechts für die Aktiengesellschaft in der Pandemiesituation weiterhin gewährleistet werden. Neu ist auch, dass Fragen nun bis spätestens einen Tag vor der Hauptversammlung von den Aktionären eingereicht werden dürfen. Im Jahr 2020 galt hierbei eine Zwei-Tagesfrist.

Bezüglich der Stellung von Gegenanträgen und der Unterbreitung von Wahlvorschlägen gemäß §§ 126, 127 AktG, bezüglich derer bislang die Unsicherheit bestand, ob und unter welchen Voraussetzungen diese in der Hauptversammlung zu berücksichtigen sind, hat der Gesetzgeber nun Klarheit geschaffen, indem er sich für die sogenannte „Fiktionslösung“ entschieden hat. Danach gelten solche Anträge und Wahlvorschläge in der Hauptversammlung automatisch als gestellt, wenn diese zuvor ordnungsgemäß, insbesondere unter Einhaltung der Frist von 14 Tagen vor der Hauptversammlung, eingereicht wurden. Damit stellt der Gesetzgeber ausdrücklich klar, dass eine (nochmalige) Antragstellung in der Hauptversammlung nicht erforderlich ist.

Diese gesetzlichen Neuregelungen treten zwei Monate nach Verkündung im Bundesgesetzblatt, voraussichtlich noch im Februar 2021, in Kraft und gelten damit unmittelbar für alle Hauptversammlungen, die nach diesem Datum stattfinden. Somit sind die Neuregelungen bei allen Hauptversammlungseinladungen zu berücksichtigen, die ab Anfang Januar 2021 veröffentlicht werden.

Unverändert bleiben die folgenden Regelungen zur virtuellen Hauptversammlung:

Verlängerung/Verkürzung von Fristen

Die Verlängerung der Frist für die Durchführung von Hauptversammlungen von acht auf zwölf Monate nach Geschäftsjahresende gilt auch 2021. Es ist also ausreichend, wenn die ordentliche Hauptversammlung für das Vorjahr bis zum Ende des laufenden Geschäftsjahres stattfindet. Die Entscheidung des Vorstandes über eine Verlängerung der Frist bedarf der Zustimmung des Aufsichtsrates. Für die Europäische Aktiengesellschaft (SE) wurde die Frist für die Durchführung von Hauptversammlungen bislang nur für das Jahr 2020 auf zwölf Monate nach Geschäftsjahresende verlängert. Es bleibt abzuwarten, ob der europäische Gesetzgeber diese Verlängerung auch auf das Jahr 2021 ausdehnt.

Das COVID-19-Gesetz sieht weiterhin vor, dass die Frist zur Einberufung der Hauptversammlung um neun Tage verkürzt werden kann. Die Einberufung soll dann ausweislich des Gesetzeswortlauts am 21. Tag vor der Hauptversammlung erfolgen. Nicht ausdrücklich abbedungen durch die Pandemie-Gesetzgebung wurde aber die Regelung, dass der Tag der Einberufung nicht mitzuzählen ist (§ 121 Abs. 1 Satz 2 AktG). Nach umstrittener Ansicht in der juristischen Fachliteratur ist davon jedoch auszugehen. Vor diesem Hintergrund empfehlen wir aus Vorsichtsgründen bei Inanspruchnahme der verkürzten Frist, die Veröffentlichung der Einberufung bereits am 22. Tag vor der Hauptversammlung im Bundesanzeiger vorzunehmen.
Zudem wurde die Frist für den Zugang von Tagesordnungsergänzungsverlangen bei börsennotierten und nicht-börsennotierten Gesellschaften auf 14 Tage vor der Versammlung verkürzt.

Record Date

Im Falle der Inanspruchnahme der verkürzten Einberufungsfrist muss sich nach dem COVID-19-Gesetz der Nachweis des Anteilsbesitzes auf den Beginn des 12. Tages (statt regulär auf den Beginn des 21. Tages) vor der Hauptversammlung beziehen. In diesem Fall besteht rein praktisch allerdings die Gefahr, dass unter Berücksichtigung der regulären Postlaufzeiten die erforderlichen Nachweise, vor allem bei im Ausland ansässigen Aktionären, nicht fristgerecht zu erbringen sind. Vor diesem Hintergrund und auch im allgemeinen Aktionärsinteresse erscheint es daher geboten, von der Regelfrist Gebrauch zu machen, sofern nicht zwingende Gründe für die Inanspruchnahme der verkürzten Fristen nach dem COVID-19-Gesetz bestehen.

Online-Hauptversammlungen auch ohne Satzungsregelung zulässig

Das Gesetz sieht vor, dass Hauptversammlungen weiterhin auch im Jahr 2021 auch dann unter Einsatz elektronischer Medien abgehalten werden können, wenn die eigentlich erforderliche Ermächtigung in der Satzung oder der Geschäftsordnung für die Hauptversammlung fehlt. Praktisch relevant ist die Möglichkeit, die Hauptversammlung in Bild und Ton, in der Regel über das Internet, zu übertragen. Neben der bloßen Zuschaltung zwecks (passiver) Online-Verfolgung der Hauptversammlung kann Aktionären auch die Teilnahme an der Versammlung und damit auch die Ausübung sämtlicher oder einzelner ihrer Rechte, u.a. auch die Ausübung des Stimmrechts, im Wege elektronischer Medien ermöglicht werden. Zudem kann den Mitgliedern des Aufsichtsrates die Teilnahme an der Hauptversammlung im Wege der Bild- und Tonübertragung ermöglicht werden.

Entgegen dem Grundsatz, dass die Hauptversammlung eine Präsenzveranstaltung ist und daher jedem Aktionär die physische Teilnahme ermöglicht werden muss, kann der Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrates auf Basis des COVID-19-Gesetzes auch anordnen, dass die Hauptversammlung gänzlich virtuell durchgeführt wird, d.h. ohne jegliche Präsenz von Aktionären oder ihrer Bevollmächtigten. In diesem Fall muss

  • die gesamte Versammlung in Bild und Ton übertragen werden,
  • die Stimmrechtsausübung der Aktionäre über elektronische Kommunikation (Briefwahl oder elektronische Teilnahme) sowie die Vollmachtserteilung möglich sein,
  • den Aktionären ein Fragerecht im Wege der elektronischen Kommunikation eingeräumt werden sowie
  • den Aktionären, die ihr Stimmrecht über elektronische Kommunikation ausgeübt haben, eine Möglichkeit zum Widerspruch gegen einen Beschluss der Hauptversammlung eingeräumt werden.

Nach dem Wortlaut des Gesetzes genügt es, eine Möglichkeit einzuräumen, das Stimmrecht im Wege der elektronischen Kommunikation (Briefwahl) für den Zeitraum bis zum Beginn der Hauptversammlung einzuräumen. Wenn sowohl die Ausübung des Fragerechts als auch des Rechts der Stimmabgabe auf den Zeitraum vor der Versammlung beschränkt werden, kann sich der Vorstand in der Versammlung darauf beschränken, Fragen nach pflichtgemäßem freien Ermessen zu beantworten, während die Abstimmungsergebnisse schon feststehen. Dies erleichtert Hauptversammlungs-Dienstleistern und der Verwaltung die Durchführung der Hauptversammlung ganz erheblich. Der Zusammenhang zwischen Fragenbeantwortung und Stimmabgabe wird jedoch vollständig gelöst, was der Gesetzgeber durch die jüngsten Änderungen unverändert gelassen hat.
Das Gesetz sieht weiter ausdrücklich vor, dass eine Anfechtung eines Beschlusses der Hauptversammlung im Falle der Durchführung von Online-Hauptversammlungen insbesondere nicht auf eine Verletzung der vorstehenden Vorschriften zur virtuellen Hauptversammlung gestützt werden kann, es sei denn, der Gesellschaft ist Vorsatz nachzuweisen.

Abschlagszahlungen auf den Bilanzgewinn auch ohne Satzungsregelung zulässig

Der Vorstand soll auch ohne Ermächtigung durch die Satzung mit Zustimmung des Aufsichtsrates entscheiden können, einen Abschlag auf den Bilanzgewinn an die Aktionäre zu zahlen. Die gesetzlichen und satzungsmäßigen Beschränkungen zur Höhe des Abschlags sind allerdings auch weiterhin zu beachten. D.h. als Abschlag darf höchstens die Hälfte des Betrags gezahlt werden, der von dem Jahresüberschuss nach Abzug der Beträge verbleibt, die nach Gesetz oder Satzung in Gewinnrücklagen einzustellen sind. Außerdem darf der Abschlag die Hälfte des vorjährigen Bilanzgewinns nicht übersteigen.

Keine Gewinnausschüttung bei Inanspruchnahme von staatlichen Förderprogrammen

Sofern Gesellschaften in Erwägung ziehen, staatliche Förderkredite, d.h. KfW-Unternehmerkredite zu beantragen, ist zu beachten, dass während der gesamten Laufzeit des KfW-Kredits keine Dividenden ausgeschüttet werden dürfen. Eine Ausnahme soll dann gelten, wenn eine Ausschüttung gesetzlich vorgeschrieben ist. Für Aktiengesellschaften besteht eine gesetzliche Ausschüttungspflicht aufgrund der Regelungen in § 254 Abs. 1 AktG, wonach mindestens die sogenannte Garantiedividende in Höhe von 4 % des Grundkapitals ausgeschüttet werden muss. Das Aktiengesetz sieht jedoch eine Ausnahme von der Ausschüttungspflicht gerade für den Fall vor, dass eine Einstellung des Gewinns in Rücklagen oder dessen Vortrag auf neue Rechnung bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig ist, um die Lebens- und Widerstandsfähigkeit der Gesellschaft für einen hinsichtlich der wirtschaftlichen und finanziellen Notwendigkeiten übersehbaren Zeitraum zu sichern. Diese Ausnahme wird demnach voraussichtlich bei solchen Gesellschaften stets greifen, die aufgrund der COVID-19-Pandemie in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind und daher staatliche Förderkredite beantragen. Eine Berufung auf die sogenannte Garantiedividende des § 254 Abs. 1 AktG würde daher vermutlich nicht genügen, um das vertragliche Ausschüttungsverbot zu vermeiden.

Zustimmungsbeschlüsse des Aufsichtsrates

Die erforderlichen Beschlüsse des Aufsichtsrats, über die Zustimmung zu der Entscheidung des Vorstands von den erleichterten Regelungen Gebrauch zu machen, können ungeachtet etwaiger entgegenstehender Regelungen in der Satzung der Gesellschaft oder der Geschäftsordnung des Aufsichtsrates auch ohne physische Anwesenheit der Aufsichtsratsmitglieder schriftlich, fernmündlich oder in vergleichbarer Weise gefasst werden. Widersprüche einzelner Mitglieder des Aufsichtsrates gegen diese Form der Beschlussfassung sind also unbeachtlich.

Ausblick

Es bliebe weiterhin begrüßenswert, wenn der Gesetzgeber die Regelungen zur Modernisierung der Hauptversammlung auch unabhängig von den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie grundsätzlich dauerhaft in das Aktiengesetz übernehmen würde. Insbesondere die Durchführung rein virtueller Hauptversammlungen sollte dauerhaft Bestand haben. Dabei wird vermutlich noch Feinschliff in den Regelungen erforderlich sein, um einen ausgewogenen Kompromiss zwischen den Interessen der Emittenten an einer praktikablen Durchführung virtueller Hauptversammlungen und dem Partizipationsinteresse der Aktionäre zu finden. Insgesamt werden wohl die praktischen Erfahrungen auch des Jahres 2021 sicherlich zur angemessenen Konturierung der Regelungen beitragen können.

Dieser Beitrag stellt ein Update unserer vorigen Newsletter zur virtuellen Hauptversammlung vom 26. März 2020 und vom 5. Juni 2020 dar.

Auf unserer Themenseite finden Sie weitere Hinweise zur Corona-Krise.

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