30.10.2020Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht Oktober 2020

Sozialversicherungsfreiheit des Gesellschaftergeschäftsführers trotz Treuhandabrede

BSG Urteil vom 12. Mai 2020 – B 12 R 5/18 R

Schuldrechtliche Treuhandabreden bleiben bei der Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status von Gesellschaftergeschäftsführern außer Betracht. Maßgeblich ist allein, ob aus gesellschaftsrechtlicher Sicht eine Mehrheitsbeteiligung vorliegt. Wem die Anteile wirtschaftlich zustehen, ist dagegen irrelevant.

Sachverhalt

Das BSG hatte in der vorliegenden Entscheidung darüber zu befinden, ob die Klägerin in der Zeit vom 17. Dezember 2008 bis zum 31. März 2011 der Sozialversicherungspflicht unterlag.

Die Klägerin war Gesellschafter-Geschäftsführerin einer mittlerweile aus dem Handelsregister gelöschten GmbH. Nachdem die Klägerin am Stammkapital der GmbH (25.000 Euro) zunächst zu zehn Prozent beteiligt war, erwarb sie durch notariellen Vertrag vom 16. Dezember 2008 einen weiteren Geschäftsanteil in Höhe von 22.500 Euro (90 %). Am selben Tag schloss die Klägerin als Treuhänderin mit drei Personen als Treugeber einen notariellen Treuhandvertrag. Danach hielt die Klägerin den Gesellschaftsanteil in Höhe von 22.500 Euro zu jeweils gleichen Teilen für die Treugeber bis auf deren einstimmigen Widerruf. Ferner war geregelt, dass die Klägerin bei den Gesellschafterversammlungen und den Gesellschafterbeschlüssen an die Weisungen der Treugeber zwingend gebunden sei und das Treuhandverhältnis von den Treugebern (einstimmig) sowie der Treuhänderin nur aus wichtigem Grund gekündigt werden könne. Die Klägerin wurde am 28. April 2011 als Geschäftsführerin abberufen und veräußerte ihre Geschäftsanteile.  

Entscheidung

Das BSG verneint entgegen den Vorinstanzen eine Sozialversicherungspflicht der Klägerin ab dem Zeitpunkt, in dem die Klägerin als Alleingesellschafterin in die Gesellschafterliste eingetragen und die aktualisierte Gesellschafterliste in den für das entsprechende Registerblatt bestimmten Registerordner des HR aufgenommen wurde. Ab diesem Zeitpunkt habe die Klägerin, so das BSG, über die sich aus den Gesellschaftsanteilen ergebende Rechtsmacht verfügt, sich ihr unbilligen Gesellschafterbeschlüssen zu entziehen. Allein diesen Zeitpunkt vermochte das BSG im vorliegenden Fall nicht zu bestimmen, da es hierzu an entsprechenden Feststellungen der Vorinstanzen fehlte, weswegen das BSG die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwies. 

Die Treuhandabrede stand dabei der selbständigen Beschäftigung der Gesellschaftergeschäftsführerin nach Auffassung des BSG nicht entgegen. Die Klägerin sei nämlich als Alleingesellschafterin Inhaberin aller mit dem Geschäftsanteil verbundenen Rechte und Pflichten gewesen. Insbesondere habe ihr allein das Stimmrecht als das wichtigste Verwaltungsrecht zugestanden. Die Vollrechtsstellung der Treuhänderin habe zur Folge, dass die Treugeber der Gesellschaft oder der Treuhänderin gegenüber Gesellschafterrechte nicht aus eigenem Recht geltend machen könnten. Sie seien vielmehr stets auf die Wahrnehmung dieser Rechte durch die Treuhänderin angewiesen. Insbesondere könnten die Treugeber einen Gesellschafterbeschluss nicht anfechten und müssten sich selbst im Falle der Kündigung der Treuhandabrede und der daraus resultierenden Übertragung der Anteile auf die Treugeber sämtliche Rechtshandlungen zwischen Gesellschaft und der bisher Legitimierten bis zu ihrer Eintragung in die Gesellschafterliste gegen sich gelten lassen. 

In diesem Zusammenhang betont das BSG den Grundsatz der Vorhersehbarkeit des sozialversicherungsrechtlichen Status. Dieser erfordere, dass die für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit notwendige Rechtsmacht, die den Geschäftsführer in die Lage versetze, die Geschicke der Gesellschaft bestimmen oder zumindest nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung verhindern zu können, gesellschaftsrechtlich eingeräumt sein müsse. Außerhalb des Gesellschaftsvertrags (Satzung) bestehende wirtschaftliche Verflechtungen, Stimmbindungsabreden oder Veto-Rechte zwischen einem Gesellschafter-Geschäftsführer und einem Dritten sowie anderen Gesellschaftern und/oder der GmbH seien daher nicht zu berücksichtigen. Dies gelte auch für eine schuldrechtliche Treuhandabrede, die nicht in das Handelsregister eingetragen werde.

Konsequente Fortsetzung der jüngsten Rechtsprechung zur (Ir)relevanz schuldrechtlicher Treuhandabreden

Mit seiner Entscheidung vom 12. Mai 2020 setzt das BSG seine jüngste Rechtsprechung zur (Ir)relevanz schuldrechtlicher Treuhandabreden für den sozialversicherungsrechtlichen Status von Gesellschaftergeschäftsführern fort. Bereits in seiner Entscheidung vom 14. März 2018 (B 12 KR 13/17 R, NJW 2018, 2662) hatte das BSG angedeutet, dass es außerhalb des Gesellschaftsvertrages bestehende wirtschaftliche Verflechtungen zwischen einem Gesellschafter-Geschäftsführer und anderen Gesellschaftern der GmbH (in Rede stand eine unwiderrufliche Option zum Erwerb von Geschäftsanteilen) für unbeachtlich hält, wenn es um die Beurteilung der für die Annahme von Selbständigkeit erforderlichen Rechtsmacht geht. Auch hier verwies das BSG auf den Grundsatz der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände. Diesem genügten rein schuldrechtliche Abreden unabhängig von ihrer Kündbarkeit nicht. In seiner Entscheidung vom 10. Dezember 2019 (B 12 KR 30/04 R) ging das BSG noch einen Schritt weiter und machte deutlich, dass Treuhandvereinbarungen außerhalb des Gesellschaftsvertrages im Allgemeinen keinen Einfluss auf den sozialversicherungsrechtlichen Status von Gesellschafter-Geschäftsführern einer GmbH haben können und verneinte die Sozialversicherungsfreiheit für die Fälle, in denen der Geschäftsführer nur über eine Treuhandabrede über eine Mehrheit der Gesellschaftsanteile verfügt, diese also nicht selbst hält. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, wenn das BSG nunmehr klarstellt, dass diese Erwägungen auch für die umgekehrte Konstellation gelten, in der der Geschäftsführer Mehrheitsgesellschafter, jedoch aufgrund einer Treuhandvereinbarung wirtschaftlich nicht Inhaber dieser Anteile ist.

Fazit

Die Entscheidung des BSG überzeugt auf dem zweiten Blick. Denn der Ansatz des BSG ist kein bloßer Formalismus. Vielmehr ist dem BSG beizupflichten, wenn es darauf hinweist, dass der Geschäftsführer, solange er Inhaber der Anteile ist, auch in tatsächlicher Hinsicht in der Lage ist, ihm nicht genehme Gesellschafterbeschlüsse abzuwenden. Daran vermag die Kündbarkeit der Treuhandabrede nichts zu ändern. Die Feststellung der Sozialversicherungspflicht bezieht sich stets nur auf das konkrete Beschäftigungsverhältnis. Endet die Treuhandvereinbarung und verliert der Geschäftsführer infolgedessen seine Stellung als Mehrheitsgesellschafter, liegt ab diesem Zeitpunkt im Regelfall eine (neue) nunmehr abhängige Beschäftigung vor.

In der Vergangenheit wurden unter Bezugnahme auf eine ältere Entscheidung des BSG (Urteil vom 8. Dezember 1994 –11 RAr 49/94) Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführer, die diese Anteile ganz oder zum Teil im Rahmen einer Treuhand hielten, regelmäßig als abhängig Beschäftigte eingestuft. Diese Beurteilung dürfte sich in einer Vielzahl von Fällen als fehlerhaft erweisen. Es bedarf jeweils einer Prüfung im Einzelfall. Insbesondere ist zu prüfen, ob es sich bei der jeweiligen Treuhandvereinbarung um eine rein schuldrechtliche Vereinbarung handelt und wann die Eintragung der (geänderten) Gesellschafterliste erfolgt ist. In Zweifelsfällen empfiehlt sich die Durchführung eines Statusfeststellungsverfahrens.

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