24.11.2025 Fachbeitrag

Wie ermittle ich die „richtige“ Vergütung? Muss sie im Laufe der Amtszeit angepasst werden?

Beitragsreihe zum rechtssicheren Umgang des Arbeitgebers mit dem Thema Betriebsratsvergütung – 2

Der zweite Beitrag unserer Veröffentlichungsreihe beschäftigt sich mit der Frage, wie Arbeitgeber die „richtige“ Vergütung von Betriebsratsmitgliedern ermitteln können und im Laufe der Jahre anpassen müssen.

I. Ermittlung der „richtigen“ Vergütung

Nach § 37 Abs. 1 BetrVG ist die Betriebsratstätigkeit ein unentgeltliches Ehrenamt. Eine Vergütung für die Ausübung des Amtes darf es daher nicht geben (sog. „Ehrenamtsprinzip“).

Gleichzeitig soll verhindert werden, dass Betriebsratsmitglieder durch ihre Tätigkeit benachteiligt oder begünstigt werden (Benachteiligungs- und Begünstigungsverbot, § 78 S. 2 BetrVG). Dieses Verbot gilt nunmehr ausdrücklich auch für die berufliche Entwicklung.

Nach § 37 Abs. 2 BetrVG erhalten sie daher für die Zeit, in der sie von ihrer regulären Tätigkeit freigestellt sind, genau das Arbeitsentgelt, das sie ohne die Betriebsratstätigkeit verdient hätten (sog. „Lohnausfallprinzip“). Zu dem hier zu berücksichtigenden Arbeitsentgelt zählt nicht nur die Grundvergütung. Es sind sämtliche Vergütungsbestandteile zu berücksichtigen, die hypothetisch angefallen wären, wenn das Mitglied regulär gearbeitet hätte. Dazu gehören beispielsweise Zuschläge für Mehrarbeit, Nachtarbeit, Sonn- und Feiertagsarbeit, Schichtzulagen, Erschwernis- und Sozialzulagen sowie sonstige Nebenbezüge (vgl. BAG, Urt. v. 23.6.2004 – 7 AZR 514/03). 

Praktisch bedeutet das: Ob ein Arbeitnehmer seiner arbeitsvertraglichen Tätigkeit nachgeht oder Betriebsratsaufgaben erfüllt, darf sich im Regelfall in der Lohnabrechnung nicht auswirken. 

Herausforderungen bei der Vergütungsbemessung ergeben sich insbesondere dann, wenn es um die Berücksichtigung leistungsabhängiger Prämien geht oder die Betriebsratstätigkeit Mehrarbeit außerhalb der individuellen Arbeitszeit erfordert, etwa bei Betriebsratssitzungen am Abend. Auf diese Spezialthemen gehen wir vertieft in Teil drei und vier unserer Veröffentlichungsreihe ein.

II. Anpassung der Vergütung im Laufe der Amtszeit

Notwendiges Korrelat des Benachteiligungsverbots ist die Pflicht des Arbeitgebers zur Anpassung der Vergütung im Laufe der Amtszeit. 

Es sind zwei Anspruchsgrundlagen zu unterscheiden:

  1. § 37 Abs. 4 S. 1 BetrVG – Mindestentgeltgarantie
    Nach der in § 37 Abs. 4 S. 1 BetrVG geregelten Mindestentgeltgarantie darf das Betriebsratsmitglied nicht schlechter gestellt werden als vergleichbare Arbeitnehmer mit üblicher betrieblicher Entwicklung. Die individuelle berufliche Entwicklung des Betriebsratsmitglieds spielt hier keine Rolle.
  2. § 78 S. 2 BetrVG i.V.m. § 611a Abs. 2 BGB – Fiktive Beförderung
    Nach § 78 S. 2 BetrVG iVm § 611a Abs.2 BGB besteht ein eigenständiger Anpassungsanspruch der Vergütung, der nicht von einer Vergleichsgruppe, sondern von der individuellen hypothetischen Karriere des Betriebsratsmitglieds abhängt (BAG Urt. v. 20.3.2025 – 7 AZR 159/24).

1. Vergütungsanpassung nach § 37 Abs. 4 S. 1 BetrVG – Mindestentgeltgarantie

Die Mindestentgeltgarantie soll sicherstellen, dass das Betriebsratsmitglied nicht schlechter gestellt wird als vergleichbare Arbeitnehmer des Betriebs mit betriebsüblicher Entwicklung. 

Aus § 37 Abs. 4 S. 1 BetrVG ergibt sich daher ein Anspruch des Betriebsratsmitglieds auf eine erhöhte Vergütung in dem (relativen) Umfang, in dem die Vergütung vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung steigt. Bei kleinen Vergleichsgruppen kann zur Ermittlung der Entwicklung nach der Rechtsprechung des BAG auf den Durchschnitt oder Median in der Vergleichsgruppe abgestellt werden (BAG Urt. v. 20.3.2025 – 7 AZR 46/24 Rn.60).

Erfährt also die Vergleichsgruppe beispielsweise eine jährliche Vergütungsanpassung, so hat grundsätzlich auch das Betriebsratsmitglied Anspruch hierauf. Die Beurteilung erfolgt anhand der Vergleichsgruppe, die erstmals zum Zeitpunkt der Amtsübernahme gebildet wird (siehe hierzu: erster Beitrag unserer Veröffentlichungsreihe vom 15. Mai 2025, Wie bilde ich rechtssichere Vergleichsgruppen für Betriebsräte?). 

Beweislast

Grundsätzlich muss das Betriebsratsmitglied die Anspruchsvoraussetzungen darlegen, indem es die Vergleichspersonen namentlich benennt. Hat der Arbeitgeber aber bereits eine Anpassung gewährt und will diese später korrigieren, muss der Arbeitgeber beweisen, dass die Anpassung objektiv falsch war (BAG Urt. v. 20.3.2025 – 7 AZR 159/24).

2. Vergütungsanpassung nach § 78 S. 2 BetrVG i.V.m. § 611a Abs.2 BGB – Fiktive Beförderung

Die in der Praxis oftmals komplexere Situation ist allerdings die, in der das Betriebsratsmitglied losgelöst von der Betrachtung vergleichbarer Arbeitnehmer eine höhere Position und damit einhergehend eine höhere Vergütung für sich beansprucht. Einen solchen eigenständigen Anspruch auf Vergütungsanpassung vermittelt § 78 S. 2 BetrVG i. V. m. § 611a Abs. 2 BGB (sog. „fiktiver Beförderungsanspruch“). 

Im Unterschied zur Mindestentgeltgarantie nach § 37 Abs. 4 S. 1 BetrVG knüpft der fiktive Beförderungsanspruch nicht an die Entwicklung einer Vergleichsgruppe, sondern an die individuelle hypothetische Karriere des einzelnen Betriebsratsmitglieds an. 

Voraussetzung für den Anspruch ist daher, dass im Betrieb tatsächlich eine konkrete freie Stelle zu besetzen ist, die das Betriebsratsmitglied ohne die Übernahme des Amtes auch erhalten hätte. Eine formale Bewerbung des Betriebsratsmitglieds auf diese freie Stelle ist nicht erforderlich. 

Auch hier müssen Arbeitgeber die Amtsübernahme für einen hypothetischen Moment ignorieren und eine faktenbasierte Beförderungsentscheidung treffen: Ob das Betriebsratsmitglied sich in einem (ggf. hypothetischen) Bewerbungsprozess durchgesetzt hätte, hängt maßgeblich von seinen individuellen Qualifikationen und Kenntnissen für die jeweilige Stelle und Vergütung ab. Wie er diese erlangt hat, sei es im Zuge seiner Betriebsratstätigkeit oder durch Weiterbildung in seiner Freizeit, ist ohne Belang. Maßgeblich ist allein, dass diese Qualifikationen und Kenntnisse für die jeweilige Stelle karriere- und vergütungsrelevant sind.  Die Entscheidung sollte nachvollziehbar begründet und dokumentiert werden.

Beweislast

Die Darlegungs- und Beweislast für die Anspruchsvoraussetzungen liegt beim Betriebsratsmitglied (z. B. durch ein konkretes Stellenangebot, das wegen der Betriebsratstätigkeit nicht angenommen wurde, sowie Nachweis über die erforderlichen Qualifikationen und Kenntnisse).

III. Fazit

Die Vergütung von Betriebsratsmitgliedern folgt klaren rechtlichen Prinzipien, kann im Einzelfall aber mit Fallstricken verbunden sein. Verstöße gegen die dargestellten Vorgaben können sowohl zivil- als auch strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. 

In der Praxis bedeutet das, dass Arbeitgeber regelmäßig überprüfen müssen, ob die Vergütung des Betriebsratsmitglieds den gesetzlichen Vorgaben (noch) entspricht. Sie sollte fortlaufend kontrolliert und bei Bedarf angepasst werden. Dabei sind nicht nur die Entwicklungen der Vergleichsgruppe, sondern auch die Besetzung von freien Stellen im Betrieb im Auge zu behalten. Letzteres erfordert, dass Arbeitgeber auch Betriebsratsmitglieder, die nicht Teil des Bewerbungsprozesses wahren, berücksichtigen.

Die rechtlichen Risiken lassen sich durch eine saubere und transparente Dokumentation des Sachverhalts minimieren. Änderungen, Neubestimmungen und Entgeltentwicklungen in der Vergleichsgruppe sowie Stellenausschreibungen sollten transparent und nachvollziehbar dokumentiert werden.

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