30.04.2025 Fachbeitrag

Böswilliges Unterlassen anderweitigen Verdienstes

Update Arbeitsrecht April 2025

BAG, Urteil vom 15.01.2025 – 5 AZR 135/24

Das BAG hat in einem aktuellen Urteil entschieden, dass ein Arbeitnehmer Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs hat, wenn er während des gesamten Verzugszeitraums leistungsfähig ist und der Arbeitgeber keine ausreichenden Indizien für eine Leistungsunfähigkeit vorlegen kann. Das Urteil befasst sich zudem mit der Frage, unter welchen Umständen ein Arbeitnehmer böswillig anderweitigen Verdienst unterlässt.

Sachverhalt

Die Klägerin war seit Oktober 2011 bei der Beklagten als Verwaltungsangestellte in Teilzeit beschäftigt. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31. März 2021 und bot der Klägerin die Fortsetzung zu geänderten Arbeitsbedingungen an. Bei gleichbleibender Tätigkeit sollte die Klägerin 15 Stunden pro Woche beschäftigt werden, wobei sich die Beklagte vorbehalten wollte, der Klägerin eine andere zumutbare, ihren Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechende Tätigkeit zu übertragen und sie an einen anderen Arbeitsort in Bayern zu versetzen. Die Klägerin lehnte das Änderungsangebot ab und erhob Kündigungsschutzklage. Vom 1. April 2021 bis zum 14. Februar 2023 war die Klägerin arbeitsuchend gemeldet und erhielt Arbeitslosengeld. Sie bewarb sich auf sämtliche Vermittlungsvorschläge der Agentur für Arbeit und der Beklagten sowie eigeninitiativ, jedoch ohne Erfolg. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis am 5. Mai 2021 fristlos aus verhaltensbedingten Gründen, weil die Reaktion der Klägerin auf eine unrichtig ausgefüllte Arbeitsbescheinigung mit dem Antrag auf Erlass eines Bußgeldbescheids beim Arbeitsamt unverhältnismäßig sei und das Vertrauensverhältnis "weiter sehr stark beeinträchtige". Die Klägerin erhob auch dagegen Klage.

Entscheidung

Das BAG entschied zugunsten der Klägerin und stellte fest, dass sie für den Zeitraum vom 1. April 2021 bis zum 14. Februar 2023 Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs hat. Die Klägerin war im gesamten Streitzeitraum leistungsfähig gemäß § 297 BGB, und die Beklagte konnte keine ausreichenden Indizien für eine Leistungsunfähigkeit der Klägerin vorlegen. Das Landesarbeitsgericht hatte rechtsfehlerhaft entschieden, dass die Klägerin im Zeitraum vom 1. April bis zum 4. Mai 2021 böswillig unterlassen habe, anderweitigen Verdienst zu erzielen.

Das BAG stellte klar, dass der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast trägt, wenn er sich auf die Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers beruft. Der Arbeitgeber müsse Indizien vortragen, die einen hinreichenden Anhaltspunkt dafür bieten, dass der Arbeitnehmer im Streitzeitraum nicht leistungsfähig war. Die Klägerin hatte sich auf sämtliche Vermittlungsvorschläge der Agentur für Arbeit und der Beklagten sowie eigeninitiativ beworben, jedoch ohne Erfolg. Ein böswilliges Unterlassen von anderweitigem Verdienst lag daher nicht vor. Die Klägerin war während des gesamten Verzugszeitraums der Vermittlung durch die Agentur für Arbeit zur Verfügung und nahm ihre Arbeit nach Ende des Verzugszeitraums wieder auf, bevor sie erneut arbeitsunfähig erkrankte.

Das BAG führte aus, dass ein Arbeitnehmer böswillig anderweitigen Verdienst unterlässt, wenn ihm ein Vorwurf daraus gemacht werden kann, dass er während des Annahmeverzugs trotz Kenntnis aller objektiven Umstände vorsätzlich untätig bleibt und eine ihm zumutbare Arbeit nicht aufnimmt oder die Aufnahme der Arbeit bewusst verhindert. Böswilligkeit setze dabei nicht voraus, dass der Arbeitnehmer in der Absicht handelt, den Arbeitgeber zu schädigen. Fahrlässiges Verhalten reiche allerdings nicht aus. Die Klägerin hatte sich auf sämtliche Vermittlungsvorschläge beworben und eigeninitiativ weitere Bewerbungen vorgenommen, die jedoch erfolglos blieben. Zudem war die Aufnahme der Arbeit nach Maßgabe des Änderungsangebots der Beklagten der Klägerin nicht zumutbar, da die Nettovergütung unter dem Arbeitslosengeld I gelegen hätte.

Praxistipp

Die Entscheidung des BAG verdeutlicht, dass Arbeitgeber bei der Geltendmachung von Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers im Annahmeverzugszeitraum eine abgestufte Darlegungslast trifft. Arbeitgeber müssen Indizien vortragen, die einen hinreichenden Anhaltspunkt für die Leistungsunfähigkeit bieten.

Zudem sollten Arbeitgeber bei der Beurteilung der Zumutbarkeit von Arbeitsangeboten berücksichtigen, dass eine Tätigkeit, bei der der zu erzielende Nettoverdienst unter dem Arbeitslosengeld I liegt, als unzumutbar anzusehen ist. Eine sorgfältige Dokumentation der Arbeitsangebote und der Bewerbungsbemühungen des Arbeitnehmers ist unerlässlich, um rechtliche Auseinandersetzungen erfolgreich zu bestehen.

Arbeitgeber sollten ferner darauf achten, dass sie bei der Beurteilung der Böswilligkeit die gesamten Umstände des Einzelfalls berücksichtigen und eine umfassende Interessenabwägung vornehmen.

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