Einführung eines zentralen IT-Systems zur Arbeitszeiterfassung: Mitbestimmungsrecht des Konzern- oder Gesamtbetriebsrats?
Update Arbeitsrecht April 2025
LAG Köln, Beschluss vom 28. Januar 2025 – 9 TaBV 88/24
Die Einführung eines IT-Systems zur Arbeitszeiterfassung kann sowohl in den Zuständigkeitsbereich des Konzern- als auch Gesamtbetriebsrat fallen. Sind sich Arbeitgeber und die jeweilige Arbeitnehmervertretung nicht einig, können die damit verbundenen komplexen technischen und rechtliche Fragen nicht im Einsetzungsverfahren einer Einigungsstelle abschließend geklärt werden. Stattdessen ist dies Sache der Einigungsstelle.
Sachverhalt
Die Arbeitgeberin, ein Unternehmen der D-Group, plante die Einführung eines IT-Systems zur Arbeitszeiterfassung in mehreren Konzerngesellschaften. Das Cloud basierte System sollte als Software genutzt und als sogenannte „Ein-Mandanten-Lösung“ eingeführt werden. Das System ermöglicht die Erfassung der Anwesenheits- und Abwesenheitszeiten als auch die Personalplanung.
Der Konzernbetriebsrat lehnte Verhandlungen hierzu mit der Arbeitgeberin ab, da er sich nicht zuständig fühlte, und verwies auf die Zuständigkeit der örtlichen Betriebsräte oder des Gesamtbetriebsrats. Daraufhin beantragte die D-AG beim Arbeitsgericht Bonn erfolgreich die Einsetzung einer Einigungsstelle mit dem Konzernbetriebsrat als vorgesehenes Mitbestimmungsgremium.
Der Gesamtbetriebsrat sah ebenfalls seine Zuständigkeit als gegeben an und leitete ein eigenes arbeitsgerichtliches Verfahren zur Einsetzung einer Einigungsstelle ein. Aufgrund der technischen Trennungsmöglichkeit zwischen den einzelnen Gesellschaften sei er jedenfalls nicht offensichtlich unzuständig. Das Arbeitsgericht Bonn gab dem Gesamtbetriebsrat recht, da nicht auf den ersten Blick feststellbar sei, ob Mitbestimmungsrechte des Konzern- oder Gesamtbetriebsrat tangiert seien.
Gegen diesen Beschluss des Arbeitsgerichts Bonn richtete sich die Beschwerde der Arbeitgeberin.
Entscheidung
Das LAG Köln bestätigte die Entscheidung des Arbeitsgerichts und betonte, dass die Einigungsstelle zur Regelung der Angelegenheit mit dem Gesamtbetriebsrat nicht offensichtlich unzuständig sei.
Es sei nicht ohne tiefere Analyse feststellbar, ob das Mitbestimmungsrecht dem Konzernbetriebsrat oder dem Gesamtbetriebsrat zustehe. Es sei zudem nicht im beschleunigten Verfahren nach § 100 ArbGG (Einsetzungsverfahren) zu klären, ob mit der Einführung des IT-Systems zur Arbeitszeiterfassung ein objektiver Zwang zur unternehmenseinheitlichen Regelung verbunden sei.
Stattdessen soll eine Einigungsstelle diese Fragen untersuchen und entscheiden. Es können sogar zwei Einigungsstellen eingesetzt werden, wenn unklar ist, welche Arbeitnehmervertretung zuständig ist. Dies soll aus Sicht des LAG Köln sicherstellen, dass alle relevanten Aspekte gründlich geprüft werden.
Praxistipp
Bei der Einführung neuer zentraler IT-Systeme (zur Arbeitszeiterfassung) können insbesondere Mitbestimmungsrechte des Konzern- oder Gesamtbetriebsrats tangiert sein. Die Klärung, welche Arbeitnehmervertretung zuständig ist, sollte frühzeitig erfolgen und durch Aufnahme von Gesprächen mit allen in Betracht kommenden Gremien nach Möglichkeit auch einvernehmlich abgestimmt werden.
Auch wenn angesichts des besonderen Prüfungsmaßstabs im Verfahren nach § 100 ArbGG die Entscheidung des LAG Köln nachvollziehbar ist, sollten parallele Einigungsstellen (im „worst case“ auch noch mit lokalen Betriebsräten) nach Möglichkeit vermieden werden.