31.08.2022Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht August 2022

Geschäftsführer-Anstellungsvertrag ist in der Regel kein Arbeitsvertrag - Beendigung eines von der Klägerin als Arbeitsverhältnis angesehenen Anstellungsverhältnisses

LAG Köln, Beschluss vom 08.06.2022 – 9 Ta 37/22

Die Parteien streiten über die Beendigung eines von der Klägerin als Arbeitsverhältnis angesehenen Anstellungsverhältnisses sowie über Zahlungsansprüche.

Sachverhalt

Die Beklagten sind auf dem Gebiet der internationalen Bildung und Qualifizierung tätig. Die Beklagte zu 1 ist ein gemeinnütziges Unternehmen, das mit Hilfe der Beklagten zu 2 entsprechende Programme anbietet. Die Beklagte zu 2 war Gesellschafterin der 2007 zum Zwecke der Akquise, Organisation und Durchführung des Aus- und Weiterbildungsangebots gegründeten und später in wirtschaftliche Schwierigkeiten geratenen Beklagten zu 3 mit Sitz in Peking/VR China.

Die Klägerin lebt und arbeitet seit 1990 in Deutschland.

Im Februar 2019 schlossen die Klägerin und die Beklagte zu 3 einen in englischer und chinesischer Sprache verfassten und auf ein Jahr befristeten „Employment Contract“, wonach die Klägerin zum 01.05.2019 die Stellung als General Manager und Executive Director übernahm. Die Klägerin sollte Ansprechpartnerin vor Ort sein und ihre Tätigkeit in Peking bis zur Schließung der Betriebsstätte verrichten. Nach Art. 7 des Vertrages sollte die Arbeitszeit 40 Stunden pro Woche bei einem Arbeitstag von 9:00 bis 18:00 Uhr inklusive einer einstündigen Mittagspause betragen. Die Parteien vereinbarten die Geltung chinesischen Rechts und die Anrufung des chinesischen Volksgerichts bei rechtlichen Auseinandersetzungen.

Am 09.05.2019 beschloss die Beklagte zu 2 die Liquidation der Beklagten zu 3. Zugleich erteilte sie der Klägerin Vollmacht zur Durchführung aller erforderlichen Schritte zur Vorbereitung der Auflösung der Gesellschaft. Um die Handlungsfähigkeit der Beklagten zu 3 bis zum voraussichtlichen Abschluss der Liquidation zu gewährleisten, übernahm die Beklagte zu 2 durch eine mit der Klägerin geschlossene Vereinbarung die Gehaltszahlung für die Beklagte zu 3.

Am 30.06.2019 schloss die Klägerin mit der Beklagten zu 1 einen von den Parteien so bezeichneten Honorarvertrag, wonach die Klägerin gegen Entgelt in der Zeit vom 10.07.2019 bis zum 30.06.2020 die Geschäftsführung der Beklagten zu 3 übernehmen und alle erforderlichen Maßnahmen zur Durchführung der Liquidation der Beklagten zu 3 treffen sollte. Zudem traf die Klägerin mit der Beklagten zu 2 eine Vereinbarung, worin sich die Beklagte zu 2 verpflichtete, das Gehalt der Klägerin für die mit der Beklagten zu 3 im „Employment Contract“ vereinbarten Tätigkeit zu übernehmen.

Der Geschäftsführer der Beklagten zu 1 und zu 2 (= Herr H) stellte mit einer an die Klägerin gerichteten E-Mail vom 28.04.2020 klar, dass der „Arbeitsvertrag“ mit der Beklagten zu 3 am 30.04.2020 ablaufe und entsprechend beendet werde. Den Honorarvertrag „kündigte“ er zum Ende des Monats.

Am 28.05.2020 wurde die Beklagte zu 3 aus dem chinesischen Handelsregister gelöscht.

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, dass ihr mit der Beklagten zu 1 bestehendes „Arbeitsverhältnis“ durch die Kündigungserklärung in der E-Mail vom 28.04.2020 nicht aufgelöst und nicht aufgrund der im Honorarvertrag vereinbarten Befristung zum 30.06.2020 beendet worden ist. Ferner macht sie gegenüber den Beklagten u.a. Vergütungsansprüche geltend.
Als General Manager und Director der Beklagten zu 3 sei sie in allen Belangen gegenüber Herrn H weisungsgebunden gewesen. Sie habe über keinerlei eigene Kompetenzen und Befugnisse im Innenverhältnis verfügt. So sei es ihr ohne Ausnahme verboten gewesen, nach außen hin aufzutreten, ohne zuvor die Einwilligung von Herrn H einzuholen. Sie habe kein Personal eingestellt oder entlassen. 

Die Beklagten zu 1 und 2 rügen die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Köln. Ferner wenden sie ein, dass die Beklagte zu 3 nicht mehr existiere und sie daher für diese keine Aussage treffen könnten. Sie vertreten die Ansicht, dass zwischen der Klägerin und den Beklagten zu 1 und 3 kein Arbeitsverhältnis bestanden habe. Herr H habe der Klägerin keine Anweisungen erteilt. Dies sei mangels chinesischer Sprachkenntnis gar nicht möglich gewesen. Herr H habe nicht einmal Kenntnis über die Vorgänge vor Ort gehabt und sei deswegen seinerseits auf die Berichterstattung der Klägerin angewiesen gewesen. Stattdessen habe die Klägerin Kundenkontakt gehabt und sämtliche Entscheidungen vor Ort getroffen. Vielmehr habe die Klägerin entschieden, welche Sprachkurse angeboten und fortgesetzt würden, die Gruppengröße der Sprachkurse bestimmt und die Dozenten den einzelnen Kursen zugeteilt. Auch in personeller Hinsicht habe die Klägerin Verantwortung übernommen. Die Mitarbeiter vor Ort seien der Klägerin unterstellt gewesen. Die Klägerin habe eigenständig Verhandlungen über die Aufhebungsverträge mit den Mitarbeitern der Beklagten zu 3 geführt und diese abgeschlossen. Selbst über die Frage, ob Abfindungen zu zahlen seien, habe die Klägerin selbst entschieden. Herrn H habe sie nachträglich nur darüber informiert. 

Das Arbeitsgericht hat sich durch Beschluss vom 03.02.2022 für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Köln verwiesen. 

Gegen den Beschluss richtet sich die eingelegte sofortige Beschwerde der Klägerin, der das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 24.03.2022 nicht abgeholfen hat.

Entscheidung

Nach Auffassung des LAG könne die Frage der internationalen Zuständigkeit dahinstehen, da das angerufene Gericht zunächst vorab über die Rechtswegzuständigkeit entscheiden müsse. Hierfür sei deutsches Prozessrecht zugrunde zu legen. Die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen richte sich somit nach §§ 2 ff. ArbGG.

Da die Zustellung der Klageschrift an die Beklagte zu 3 aufgrund der Fiktion ihrer Parteifähigkeit in einem gegen sie angestrengten Prozess wirksam erfolgen konnte, war das ArbG auch nicht aufgrund der Nichtexistenz der Beklagten zu 3 an der Verweisung gehindert. Das LAG bejahte die entsprechende Anwendbarkeit von § 46 Nr. 8 GmbHG auf die chinesische Limited. Die Klägerin sei trotz der Liquidation der Beklagten zu 3 weiterhin als Geschäftsführerin der Gesellschaft anzusehen, da ein Gesellschafterbeschluss über ihre Abberufung nicht dargelegt worden sei. Gemäß § 46 Nr. 8 GmbHG sei eine wirksame Zustellung der Klageschrift an die Beklagte zu 2 als ehemalige Alleingesellschafterin der Beklagten zu 3 erfolgt.

Im Hinblick darauf, dass die Klägerin für die Beklagte zu 3 im Liquidationsprozess als Geschäftsführerin tätig war, verneinte das LAG das Vorliegen einer Streitigkeit gemäß § 2 I Nr. 3 ArbGG. Der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung wie der Limited werde in aller Regel auf der Grundlage eines freien Dienstvertrags und nicht eines Arbeitsvertrags tätig. Die Begründung eines Arbeitsverhältnisses komme nur in einem extremen Ausnahmefall, den die Klägerin hätte darlegen und beweisen müssen, in Betracht. Nicht ausreichend für die Darlegung eines Arbeitsverhältnisses sei, dass die Klägerin seitens der Gesellschafterin überhaupt Weisungen erhalten habe. Denn einer Gesellschaft stehe auch gegenüber einem Geschäftsführer als freiem Dienstnehmer ein unternehmerisches Weisungsrecht zu. Es sei nicht erkennbar, dass die der Klägerin erteilten Weisungen über das gesellschaftliche Weisungsrecht hinausgegangen seien. Dass Herr H persönlich dauernd in die Tätigkeit der Klägerin gelenkt habe, trägt die Klägerin im Wesentlichen nur pauschal und nicht substantiiert vor.

Es sei auch kein sog. sic-non-Fall gegeben, bei dessen Vorliegen bereits die bloße Rechtsansicht der Klagepartei, es handele sich um ein Arbeitsverhältnis, den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen eröffne. Das Vorliegen eines sic-non-Falls sei anhand der Klagebegründung und nicht allein anhand des Wortlauts des Klageantrags zu prüfen. Bei Auslegung der Klageanträge sei davon auszugehen, dass die Klägerin das Fortbestehen des Vertragsverhältnisses unabhängig davon geltend mache, ob das zwischen den Parteien bestehende Anstellungsverhältnis ein Arbeitsverhältnis oder ein freies Dienstverhältnis sei. Die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen hinsichtlich der erhobenen Vergütungs- und sonstigen Zahlungsansprüche gegen die Beklagte zu 3 verneinte das LAG ebenfalls, da die Klägerin gesetzliche Vertreterin der Beklagten zu 3 war und deswegen gemäß § 5 I 3 ArbGG nicht als Arbeitnehmerin gelte.

Praxistipp

Das LAG arbeitet heraus, dass die Entscheidung über die Rechtswegzuständigkeit der Entscheidung über die internationale Zuständigkeit vorgeht. Die Entscheidung überzeugt im Ergebnis und zeigt, dass auch im Falle einer ausländischen Limited die Arbeitnehmereigenschaft des Geschäftsführers nur in Ausnahmefällen bejaht werden kann. Die Begründung eines Arbeitsverhältnisses kommt demnach nur in extremen Ausnahmefällen in Betracht und muss im Falle eines Rechtsstreits vom Kläger detailliert dargelegt und bewiesen werden. Dargelegt und im Einzelfall zu beweisen wäre dann z.B., dass die von einer Gesellschaft gegenüber einem Geschäftsführer erteilten Weisungen über das gesellschaftliche Weisungsrecht hinausgegangen sind.
 

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