15.05.2025 Fachbeitrag

Wie bilde ich rechtssichere Vergleichsgruppen für Betriebsräte?

Beitragsreihe zum rechtssicheren Umgang des Arbeitgebers mit dem Thema Betriebsratsvergütung – 1

Im ersten Beitrag unserer Beitragsreihe zum rechtssicheren Umgang des Arbeitgebers mit dem Thema Betriebsratsvergütung widmen wir uns der zentralen Frage, was es bei der Bildung von Vergleichsgruppen von Betriebsräten zu beachten gilt. Ohne eine zutreffend gebildete Vergleichsgruppe ist es unmöglich, eine den gesetzlichen Vorgaben entsprechende Vergütung der Betriebsräte sicherzustellen.

Bevor wir einen Blick darauf werfen, wie Vergleichsgruppen von Betriebsräten konkret zu bilden sind, betrachten wir den Zeitpunkt, wann die Vergleichsgruppen erstmals gebildet werden müssen und unter welchen Voraussetzungen eine Anpassung der Vergleichsgruppen erforderlich sein kann.

I. Zeitpunkt der erstmaligen Bildung der Vergleichsgruppe

Die Bildung der Vergleichsgruppe hat nach § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG grundsätzlich zum Zeitpunkt der erstmaligen Amtsübernahme zu erfolgen.

Ist das Betriebsratsmitglied jedoch bereits Ersatzmitglied gewesen, so ist auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem das Betriebsratsmitglied erstmals als Ersatzmitglied in den Betriebsrat nachgerückt ist (BAG, Urt. v. 21.2.2018 – 7 AZR 496/16). Dies gilt allerdings unter der Voraussetzung, dass zwischen den einzelnen Vertretungsfällen jeweils kein Zeitraum von über einem Jahr lag. Ebenso darf zwischen dem letzten Nachrücken und der Wahl zum Betriebsratsmitglied kein Zeitraum von über einem Jahr gelegen haben. Ist der Zeitraum länger als ein Jahr, so ist allein die Amtsübernahme für den Zeitpunkt der Vergleichsgruppenbildung maßgeblich.

II. Nachträgliche Anpassung der Vergleichsgruppe

Eine nachträgliche Anpassung der Vergleichsgruppe soll nur ausnahmsweise erfolgen, soweit ein sachlicher Grund für eine Neubestimmung vorliegt. Ein möglicher Sachgrund kann beispielsweise darin liegen, dass durch Umstrukturierungen oder Ausscheiden aus dem Unternehmen die mit dem Amtsträger vergleichbaren Arbeitnehmer verloren gehen oder sich die Aufgabenfelder des Betriebsratsmitglieds bzw. der Vergleichspersonen – etwa aufgrund eines beruflichen Aufstiegs – einschneidend verändern.

Aus diesem Regel-Ausnahme-Verhältnis folgt, dass eine Neubildung der Vergleichsgruppe nur in zwingend erforderlichen Fällen vorzunehmen ist. Dies ist gerade nicht der Fall, wenn sich die Tätigkeit des Betriebsratsmitglieds inhaltlich nicht wesentlich ändert oder auch sonst kein sachlicher Grund für eine Neubildung vorliegt. So ist etwa die sukzessive Verringerung der Vergleichspersonen durch ein Ausscheiden aus dem Unternehmen ebenfalls kein sachlicher Grund, der zu einer Neubildung der Vergleichsgruppe führt (LAG Köln, Urt. v. 06.04.2017 – 7 Sa 836/16).

Auch eine bloß vorübergehende Änderung der Tätigkeit führt nicht zur Erforderlichkeit einer Vergleichsgruppenneubildung. Maßgeblich wäre stattdessen die dauerhafte Ausübung einer höher- bzw. niedriger-wertigen Tätigkeit (vgl. BAG, Urt. v. 23.11.2022 – 7 AZR 122/22).

Schließlich sind auch Umstände, die im Zusammenhang mit der Betriebsratstätigkeit des Betriebsratsmitglieds stehen, unbeachtlich. So stellen etwa der Beginn einer neuen Amtsperiode oder die Übernahme des Amtes als Betriebsratsvorsitzender keine sachlichen Gründe für eine Neubildung der Vergleichsgruppe dar.

III. Maßstäbe für die Bildung der Vergleichsgruppe

Nachdem geklärt ist, zu welchem Zeitpunkt eine Vergleichsgruppe erstmals und – sofern erforderlich – neu zu bilden ist, wenden wir uns nun den Kriterien für die Bildung der Vergleichsgruppe zu. Dieser Frage nähern wir uns schrittweise.

1.

Gehen wir zunächst von der gesetzlichen Regelung in § 37 Abs. 4 S. 1 BetrVG aus. Dort heißt es:

„Das Arbeitsentgelt von Mitgliedern des Betriebsrats darf einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung.“

2.

Wann sind Arbeitnehmer „vergleichbar“? Vergleichbar in diesem Sinne sind Arbeitnehmer, die im Zeitpunkt der Übernahme des Betriebsratsamtes

  • eine im Wesentlichen objektiv vergleichbare Tätigkeit wie das Betriebsratsmitglied ausgeübt haben und
  • auch hinsichtlich der persönlichen und fachlichen Qualifikation und Leistung vergleichbar sind.

Die Vergleichbarkeit hinsichtlich der Tätigkeit und der Qualifikation muss hierbei objektiv vorliegen. Bei der Ermittlung der Vergleichsgruppe lassen sich aber in den allerseltensten Fällen Arbeitnehmer finden, die hinsichtlich ihrer Tätigkeit und ihrer Qualifikation objektiv uneingeschränkt vergleichbar sind. Deshalb ist dem Arbeitgeber bei der Bestimmung der Vergleichspersonen stets ein Einschätzungsspielraum einzuräumen.

3. 

Für die Vergleichbarkeit der Tätigkeit ist maßgeblich, welche Fertigkeiten sie erfordert und welche Aufgabenstruktur, Schwierigkeit und Umfang der Arbeitsplatz aufweist. Es ist zu berücksichtigen, welche physischen, psychischen und intellektuellen Anforderungen an die Ausübung der Tätigkeit gestellt werden. Schließlich ist in den Blick zu nehmen, welche Verantwortung mit der jeweiligen Stelle einhergeht und auf welcher Hierarchieebene die Tätigkeit angesiedelt ist.

Auch an dieser Stelle greift der eingangs erwähnte Einschätzungsspielraum des Arbeitgebers: Er muss nur eine im Wesentlichen objektiv vergleichbare Tätigkeit eines anderen Arbeitnehmers ermitteln. Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn die Arbeitnehmer wechselseitig austauschbar sind.

4.

Darüber hinaus müssen die Vergleichsarbeitnehmer im Hinblick auf ihre persönliche und fachliche Qualifikation vergleichbar sein. Bei den insoweit relevanten und berücksichtigungsfähigen Eigenschaften und Qualifikationen handelt es sich typischerweise um solche, die bei vielen Personalbesetzungsentscheidungen ohnehin eine Rolle spielen.

Von Bedeutung sind hier etwa:

  • die Art der Berufsausbildung (z. B. auf Grundlage des Deutschen Qualifikationsrahmens – DQR);
  • der Erwerb von Fachkenntnissen;
  • die erfolgreiche Teilnahme an inner- und außerbetrieblichen Fortbildungen;
  • Fremdsprachenkenntnisse;
  • aber auch sog. soft skills, wie etwa Team- oder Kommunikationsfähigkeit.

Die vorgenannten Qualifikationen sind jedenfalls dann im Rahmen der Vergleichsgruppenbildung einzubeziehen, als sie sich für einen objektivierbaren Vergleich des Betriebsratsmitglieds und möglicher Vergleichspersonen eignen und zugleich einen Bezug zur konkreten Tätigkeit aufweisen. Auch individuelle Leistungen und Fähigkeiten, die ein Betriebsratsmitglied im Rahmen seiner bisherigen beruflichen Tätigkeit gezeigt hat, sind berücksichtigungsfähig. Ob und wenn ja, wie im Rahmen von Betriebsratstätigkeiten erworbene Fähigkeiten und Kenntnisse bei der Bildung von vergleichsgruppen zu berücksichtigen sind, klären wir im zweiten Beitrag unserer Reihe.

Neben der objektivierten Betrachtung der persönlichen und fachlichen Qualifikation sind aber in Einzelfällen auch etwaige High- oder Low-Performances des Betriebsratsmitglieds einzubeziehen: Ist ein Betriebsratsmitglied etwa besonders qualifiziert und in seiner beruflichen Tätigkeit überdurchschnittlich gewesen, so kommt als vergleichbarer Arbeitnehmer nur jemand mit ähnlicher Qualifikation und überdurchschnittlicher Leistung in Betracht (BAG, Urt. v. 21.04.1983 – 6 AZR). Entsprechendes gilt im umgekehrten Fall (BAG, Urt. v. 11.05.1988 – 5 AZR 334/87). Auch hier zeigt sich, dass die gesetzlich vorgegebene Vergleichsgruppenbildung nicht schwarz-weiß ist, sondern Ermessenserwägungen des Arbeitgebers berücksichtigt.

5.

Schließlich ist noch zu klären, in welchem Kreis mögliche Vergleichspersonen des Betriebsratsmitglieds zu identifizieren sind.

Die Vergleichsgruppenbildung ist nach der gesetzlichen Konzeption in § 37 Abs. 4 BetrVG betriebsbezogen ausgestaltet. Das bedeutet: Es kommen als Vergleichspersonen die Arbeitnehmer desselben Betriebs in Betracht. Besteht ein Gemeinschaftsbetrieb von zwei oder mehr Unternehmen, ist auf den Gemeinschaftsbetrieb abzustellen. In diesem Fall sind also auch Arbeitnehmer eines anderen Unternehmens einzubeziehen, wenn und solange dieses Unternehmen mit dem Unternehmen, bei dem das Betriebsratsmitglied beschäftigt ist, einen gemeinsamen Betrieb bildet.

Sollten im Einzelfall im Betrieb des Betriebsratsmitglieds keine Vergleichspersonen bestimmt werden können, ist zu prüfen, ob es in einem anderen Betrieb des Unternehmens mit dem Betriebsratsmitglied vergleichbare Arbeitnehmer gibt. Führt auch dies zu keinem Ergebnis, ist auf die betriebsübliche Entwicklung der nächstvergleichbaren Arbeitnehmergruppen abzustellen.

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