27.06.2019Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht Juni 2019

Richtlinie über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union

2017/0355 (COD)

Das Europäische Parlament hat am 16. April 2019 eine neue Richtlinie verabschiedet, die für transparente und verlässliche Arbeitsbedingungen der Beschäftigten im Bereich des sog. Crowdworkings sorgen soll. Am 13. Juni 2019 hat auch der Ministerrat die Richtlinie angenommen. Dieser Beitrag skizziert den wesentlichen Inhalt der neuen Richtlinie.

Bekannte Online-Plattformen wie Uber, Deliveroo und Co. verändern nicht nur das Konsumverhalten der Menschen, sie praktizieren auch Beschäftigungsformen, die (arbeits-) rechtliche Fragen aufwerfen. Für die neue Beschäftigungsform des sog. Crowdworkings, also der Vergabe von Aufträgen über eine Online-Plattform, sind ein geringer Bindungsgrad und die geringe Verantwortung gegenüber dem so beschäftigten Personal im Vergleich zu klassischen Arbeitsverhältnissen kennzeichnend. Im Falle des internen Crowdworkings, wenn also Aufträge ausschließlich an eigene Arbeitnehmer der Plattform erteilt werden, gibt es für die Unternehmen der sog. Gig- bzw. Sharing-Economy vielfältige Möglichkeiten, die vertraglichen Beziehungen zu ihren Crowdworkern zu gestalten. Zweck der neuen EU-Richtlinie ist es nun, die Bedingungen solcher „atypischer“ Beschäftigungsverhältnisse zu verbessern, indem eine transparentere und vorhersehbarere Beschäftigung gefördert und zugleich die Anpassungsfähigkeit an die unternehmerischen Bedürfnisse beibehalten wird. Die Frist zur Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht beträgt drei Jahre.

Die neue Richtlinie legt Mindestrechte fest, die für jeden Arbeitnehmer in der Union gelten, der in einem Arbeitsverhältnis steht. In diesem Zusammenhang verweist die Richtlinie ausdrücklich auf die zu berücksichtigende Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Falls sie die dort aufgestellten Kriterien erfüllen, könnten Arbeitnehmer, die auf Abruf, auf der Grundlage von Gutscheinen und auf Online-Plattformen beschäftigt sind, sowie Praktikanten und Auszubildende in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen. Selbständige sind vom Anwendungsbereich der Richtlinie nicht erfasst.

Zu den Mindestanforderungen an die Arbeitsbedingungen (Art. 8 ff. der Richtlinie) gehören u. a. die Höchstdauer einer Probezeit von sechs Monaten, ein Ermöglichungsgebot und ein Benachteiligungsverbot im Falle einer Mehrfachbeschäftigung des Arbeitnehmers, eine transparentere Gestaltung durch eine (zeitliche) Mindestvorhersehbarkeit der Arbeit und das Angebot kostenloser Pflichtfortbildungen während der Arbeitszeit. 

Zudem trifft den Arbeitgeber eine Unterrichtungspflicht gegenüber dem Arbeitnehmer über die wesentlichen Aspekte des Arbeitsverhältnisses. Dies umfasst, wenn die Arbeitsmuster völlig oder größtenteils unvorhersehbar sind, u. a. die Referenzstunden und die Referenztage, innerhalb derer der Arbeitnehmer aufgefordert werden kann zu arbeiten, die Mindestkündigungsfrist, die Anzahl der garantierten bezahlten Stunden etc. 

Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie verbietet Kündigungen (oder Maßnahmen mit gleicher Wirkung), die damit begründet werden, dass ein Arbeitnehmer die in der Richtlinie vorgesehenen Rechte in Anspruch nimmt. Zudem enthält Art. 18 Abs. 2 eine Beweiserleichterung zugunsten betroffener Arbeitnehmer: Hiernach können Arbeitnehmer, die der Ansicht sind, dass ihnen aufgrund der Inanspruchnahme dieser Rechte gekündigt worden ist, vom Arbeitgeber verlangen, dass er hinreichend genau bezeichnete Gründe für die Kündigung (oder die Maßnahme mit gleicher Wirkung) anführt. Der Arbeitgeber hat diese Gründe dann schriftlich darzulegen. Art. 18 Abs. 3 geht sogar noch einen Schritt weiter: In Fällen, in denen betroffene Arbeitnehmer vor Gericht Tatsachen anführen, die darauf schließen lassen, dass eine Kündigung (oder Maßnahme mit gleicher Wirkung) erfolgt ist, weil der Arbeitnehmer seine Rechte in Anspruch genommen hat, trifft den Arbeitgeber die Beweislast dafür, dass die Kündigung aus anderen Gründen erfolgt ist.

Wohlüberlegte Vertragsgestaltung notwendig

Ob die neue Richtlinie bzw. die nationale Umsetzung letztlich die Arbeitsbedingungen von einzelnen Crowdworkern wirklich ändern werden, steht und fällt mit der Frage, ob der jeweilige Crowdworker als Arbeitnehmer zu qualifizieren ist. Maßgebend für diese Beurteilung wird die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sein. Das entscheidende Kriterium dürfte in den meisten Fällen die Weisungsgebundenheit sein. Die jeweilige Vertragsgestaltung als auch die tatsächliche Vertragsdurchführung sind hierbei ausschlaggebend. 

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